Rz. 20
Die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft wird mit einer Dauertestamentsvollstreckung gem. § 2209 S. 1 BGB kombiniert. Dadurch soll verhindert werden, dass der Sozialleistungsträger Zugriff auf die Vorerbschaft und deren Erträge nimmt. Nur mit der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft alleine würde dieses Ziel nicht erreicht. Ohne die Verwaltungsvollstreckung würden die Nutzungen und Erträge des Nachlasses dem Eigenvermögen des Behinderten unmittelbar zufließen. Das wiederum hätte zur Folge, dass staatliche Leistungen entsprechend dem Nachranggrundsatz vom Bedürftigen erst in Anspruch genommen werden dürften, wenn die Früchte der Vorerbschaft für den Lebensunterhalt vollständig verwendet wurden. Bei angeordneter Verwaltungsvollstreckung, können Gläubiger zu Lebzeiten des Behinderten wegen § 2214 BGB allerdings nicht auf dessen Vermögen zugreifen. Lediglich das, was bei Eintritt des Nacherbfalls aus den Erträgen nicht verbraucht wurde, fällt somit in den Nachlass des Behinderten.
Rz. 21
Nach § 2205 BGB steht dem Testamentsvollstrecker die alleinige Verfügungsbefugnis über den Nachlass zu. Durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung hinsichtlich des Erbteils des Kindes bleibt auch bei einer geistigen Behinderung des Kindes der Nachlass handlungsfähig, da das Recht, den Nachlass zu verwalten, und das Verfügungsrecht über Nachlassgegenstände nach § 2205 BGB dem Testamentsvollstrecker zusteht. Es bedarf daher insoweit dann auch keiner Betreuerbestellung oder gar familiengerichtlicher Genehmigungen.
Rz. 22
Der Erbe selbst kann über einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand nicht verfügen, § 2211 Abs. 1 BGB. Ebenso ist Gläubigern des Erben ein Zugriff auf den Nachlass untersagt (§ 2214 BGB), was zu einer sozialrechtlichen Unverwertbarkeit des Nachlasses gem. § 90 Abs. 1 SGB XII führt. Allerdings bleibt der Erbteil des behinderten Kindes grundsätzlich pfändbar, und zwar auch dann, wenn es sich um einen Vorerbteil handelt. Jedoch hindert dies nicht die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers, über weitere Nachlassgegenstände – evtl. zusammen mit anderen Miterben – zu verfügen. Die Pfändung des Erbteils wird zudem mit Eintritt des Nacherbfalls unwirksam, da der Nacherbe nicht Rechtsnachfolger des Vorerben ist und damit auch nicht Schuldner des Pfandgläubigers (§ 2139 BGB). Gleiches gilt bei der Pfändung einzelner Nachlassgegenstände, bei der nach § 2115 S. 1 BGB ebenfalls die Unwirksamkeit der Pfändung im Fall des Eintritts der Nacherbfolge eintritt.
Rz. 23
Der Testamentsvollstrecker erhält im Rahmen der letztwilligen Verfügung einen Katalog an Handlungsanweisungen, an die er sich gem. § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB halten muss. Diese sind so ausgestaltet, dass eine Regressmöglichkeit des Sozialleistungsträgers und eine Leistungskürzung zum Nachteil des Behinderten unterbunden werden. In diesem Zusammenhang stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Gewährung von Sachbezügen oder eher Geldleistungen (z.B. Mieterträge aus dem Nachlass) an den Behinderten sinnvoll sind. Geldzuwendungen, die sozialrechtlich als Einkommen gewertet werden, sind nicht empfehlenswert, da sie zu einer bedarfsmindernden Anrechnung beim Bedürftigen führen würden. Sinnvoller sind demgemäß regelmäßige Sachleistungen, da diese in sozialrechtlicher Hinsicht deutlich einfacher behaltensfest zugewendet werden können.
Rz. 24
Mit der Einführung des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) zum 1.1.2003, das später in das SGB XII integriert wurde, wurde die Frage diskutiert, inwieweit ggf. die Formulierung der Verwaltungsanordnung derart vorzunehmen ist, dass Geldzuwendungen durch den Testamentsvollstrecker aus den Nutzungen nicht nur dann vorgenommen werden dürfen, soweit hierauf kein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen besteht, sondern auch, soweit kein Anspruch auf Grundsicherungsrente gegeben ist. Anderenfalls könnte die Frage auftreten, inwieweit ein Anspruch auf Grundsicherungsrente ausgeschlossen ist, weil die vom Testamentsvollstrecker auszuzahlenden Nutzungen zumindest nach dem GSiG einsetzbares Vermögen darstellten.
Praxishinweis
Durch die Eingliederung der Grundsicherung als Teil des SGB XII (§§ 41 ff. SGB XII) und der ausdrücklichen Erwähnung der Leistungsvoraussetzungen für die Grundsicherungsrente in § 19 Abs. 2 SGB XII dürften diese Befürchtungen zwar an Brisanz verloren haben, dennoch ist zur Vermeidung irgendwelcher Einwände seitens der Leistungsträger eine entsprechend klarstellende Formulierung im Rahmen der Verwaltungsanordnung sicherlich anzuraten.
Rz. 25
Sinnvoll ist, eine Befreiung von § 181 BGB in die letztwillige Verfügung mitaufzunehmen. Anders als von Ruby empfohlen, kann überlegt werden, die Befreiung nicht generell anzuordnen, sondern auf Verwandte des Behinderten (z.B. bis zum 2. Grad) zu beschränken. Würde generell vom Insichverbot befreit, zieht das womöglich bei der Versilberung des Nachlasses und einem eigenen Erwerbsinteresse des (familienfremden) Testamentsvollstrecker...