Rz. 70
Hat ein Hinterbliebener Bestattungskosten getragen, stellt sich die Frage, inwieweit der Sozialhilfeträger die Bestattungskosten übernimmt. Wurden die Kosten lediglich aus einer sittlichen Verpflichtung oder sonst "freiwillig" getragen, ist dies für eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger nicht ausreichend. Der lediglich Bestattungsberechtigte ist kein Verpflichteter i.S.d. § 74 SGB XII, auch wenn die Verpflichtung dort nicht näher definiert, sondern als anderweitig begründet vorausgesetzt wird. Verpflichteter i.S.d. § 74 SGB XII kann nur derjenige sein, der der Kostenlast von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft; daher kann Verpflichteter im Rahmen des § 74 SGB XII nur sein, wer zugleich Erbe ist oder – sekundär, wenn kein Erbe vorhanden ist – unterhaltsverpflichtet. Gegenstand des Anspruchs ist der Kostenersatz in dem Zeitpunkt des Fälligwerdens der jeweiligen Verpflichtung.
Gem. § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit es dem zur Kostentragung Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, sie zu tragen. Dabei handelt es sich um Hilfe in anderen Lebenslagen. Es wird auf die Bedürftigkeit des zur Kostentragung Verpflichteten abgestellt, nicht auf die Mittellosigkeit des Erblassers. Insoweit ist zu prüfen, ob dem Verpflichteten keine Eigenleistung zumutbar ist. Maßgebend für die Überprüfung der Zumutbarkeit ist das Einkommen des Verpflichteten im Monat der Fälligkeit der Bestattungskosten. Zur Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse können die allgemeinen Grundsätze des Sozialhilferechts herangezogen werden, einschließlich der Regelungen über das Schonvermögen, allerdings gilt das Nachrangprinzip, so dass zunächst der Nachlass in seinem vollen, nicht durch Schonvorschriften geminderten Wert einzusetzen ist. Insbesondere kann der Verpflichtete nicht anderweitige Nachlassverbindlichkeiten tilgen und dann Erstattung der Bestattungskosten beantragen. Für einzelne Nachlassgegenstände kann die Veräußerung dem Hilfeempfänger unzumutbar sein, z.B. geerbter Miteigentumsanteil an einem privilegierten Hausgrundstück.
Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende – oder nach dem SGB XII vor, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Kostentragung unzumutbar ist.
Rz. 71
Kann der Verpflichtete die Kosten nicht aufbringen, kann er den Sozialhilfeträger auf Kostentragung in Anspruch nehmen. Ein Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Kosten besteht aber wegen des sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatzes nur insoweit, als der Verpflichtete von Dritten keinen Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann. Dabei ist es dem Verpflichteten aber nicht zuzumuten, die Ansprüche gegen Dritte geltend zu machen, wenn bereits unklar ist, ob überhaupt eine Kostenschuldnerschaft besteht. Es reicht, wenn der Antrag nach der Bestattung gestellt wird.
Rz. 72
Der Sozialhilfeträger hat die erforderlichen Kosten für eine würdige Beerdigung, die sich an einem ortsüblichen angemessenen Begräbnis orientiert, zu übernehmen. Die erforderlichen Kosten gem. § 74 SGB XII liegen in der Regel unterhalb der Kosten einer standesgemäßen Beerdigung i.S.d. § 1968 BGB. Die Beihilfe gem. § 74 SGB XII ist auf die erforderlichen Kosten beschränkt, um die Belastung der Solidargemeinschaft zu begrenzen. Daher sind nur die Kosten von der Sozialhilfe zu übernehmen, die unmittelbar der Bestattung unter Einschluss der ersten Grabherrichtung dienen.
Über § 73 S. 1 SGB XII kann auch in besonderen Bedarfslagen die Übernahme der Anreisekosten beim Sozialhilfeträger beantragt werden.
Rz. 73
Abweichend von der Reihenfolge der Bestattungsberechtigten (siehe Rdn 45) sind antragsberechtigt die zur Tragung der Bestattungskosten Verpflichteten. Es ist streitig, ob nur der vorrangig Verpflichtete oder auch nachrangig Verpflichtete, obwohl noch vorrangig Verpflichtete vorhanden sind, anspruchsberechtigt sind. Da § 74 SGB XII eine würdige Bestattung des Verstorbenen gewährleisten soll und die Hinterbliebenen darin bestärkt werden sollen, sich um die Bestattung zu kümmern, sollte die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach nicht unter Verweis auf vorrangig Verpflichtete ausgeschlossen werden können. Bei einer Mehrheit von Erben ist Verpflichteter jeder einzelne Miterbe, wenn er Forderungen nach § 1968 BGB ausgesetzt ist. Auch der Erbe, der das Erbe ausschlägt, die Bestattung jedoch veranlasst, ist gegebenenfalls als öffentlich-rechtlich Bestattungspflichtiger antragsberechtigt. Nicht zur Bestattung verpflichtet ist der Träger des Heims, in dem der Heimbewohner verstorben ist.