I. Typischer Sachverhalt
Rz. 41
a) Der Erblasser ist verstorben, ohne eine Verfügung über seine Bestattungswünsche zu hinterlassen. Nunmehr streiten sich die Ehefrau und die Kinder des Verstorbenen darüber, ob eine Erd- oder eine Seebestattung vorgenommen werden soll.
b) Der Verstorbene hat gegenüber seiner Ehefrau und seiner Mutter sich widersprechende Bestattungswünsche geäußert.
II. Rechtliche Grundlagen
1. Mutmaßlicher Wille des Erblassers
Rz. 42
Hat der Erblasser keine ausdrückliche Regelung zu seiner dereinstigen Bestattung getroffen, jedoch bei irgendeiner Gelegenheit Andeutungen gemacht, so können diese ausreichen. Es ist nicht erforderlich, dass der Wille ausdrücklich geäußert wird; es genügen Tatsachen und Umstände, aus denen der Wille des Verstorbenen hinsichtlich seiner Bestattung mit Sicherheit gefolgert werden kann; auch eine beiläufige, inhaltlich aber eindeutige Äußerung reicht aus. Um dem Willen des Verstorbenen weitestmöglich zur Geltung zu verhelfen, reicht selbst der "irgendwie geäußerte oder auch nur mutmaßliche Wille des Verstorbenen", um eine Bindung der Bestattungsberechtigten an diesen Willen zu fordern.
2. Keine oder widersprüchliche Regelung durch den Erblasser – Totenfürsorgeberechtigung
Rz. 43
Hat der Erblasser überhaupt keine Regelung getroffen, so haben gewohnheitsrechtlich die nächsten Familienangehörigen das Recht der Totenfürsorge; hieraus wird dann die Bestattungspflicht abgeleitet. Die Bestattungspflicht umfasst jedoch nicht die Entscheidungsbefugnis über die längerfristige Grabpflege. Besteht hier Uneinigkeit, kann sich aus Treu und Glauben das Recht ergeben, über den Grabnutzungsberechtigten z.B. ein Gesteck auf das Grab legen zu lassen. Der Grabnutzungsberechtigte hat dann das Recht, zu prüfen, ob das Gesteck mit dem übrigen Grabschmuck vereinbar ist, und dieses, wenn es verwelkt oder unansehnlich geworden ist, nach einem angemessenen Zeitraum vom Grab zu entfernen.
Allein die Übertragung des Grabnutzungsrechts führt noch nicht dazu, dass ein Angehöriger totenfürsorgeberechtigt wird.
Andersherum ist der Totenfürsorgeberechtigte berechtigt, das Erscheinungsbild der Grabstätte zu bestimmen. Das Totenfürsorgerecht begründet ein Recht auf Beseitigung und Unterlassung unzulässiger Veränderungen an der Grabstätte entsprechend § 1004 BGB, hervorgerufen durch Ablegen von Gegenständen wie Kerzen, Messingrosen, Topfschalen etc. an einem Baumgrab.
Sind die Regelungen, die der Erblasser getroffen hat, widersprüchlich, steht dem vorrangig Totenfürsorgeberechtigten ein durch den Erblasserwunsch vorgegebener Entscheidungsrahmen zu, innerhalb dessen der vorrangig Bestattungsberechtigte einen erheblichen Ermessens- und Beurteilungsspielraum hat.
Eine Rechtsgrundlage zur gerichtlichen Übertragung der Totenfürsorge auf andere Personen als die nach gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen festgelegten gibt es nicht.
Rz. 44
Es gelten die Bestattungsanordnungen des vorrangig Bestattungspflichtigen. Aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Bestattungspflicht kann ermittelt werden, wem die Berechtigung zur Totenfürsorge zusteht. Dabei wurde früher das 1934 erlassene Gesetz über die Feuerbestattung zugrunde gelegt. Inzwischen sind in allen Bundesländern Landesgesetze zum Bestattungsrecht ergangen, in denen die Bestattungspflicht geregelt ist, so dass heute von den jeweiligen Landesregelungen auszugehen ist. Nur wenn sich in den einzelnen Landesbestattungsgesetzen Lücken finden, ist auf das Feuerbestattungsgesetz zurückzugreifen.
Rz. 45
Totenfürsorgeberechtigt ist, wenn mehrere Angehörige vorhanden sind, zunächst der Ehegatte bzw. der Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, dann die – auch minderjährigen – Kinder, schließlich Eltern und Geschwister des Erblassers.
Allerdings gibt es auch Bundesländer, die den Lebensgefährten – obwohl ohne familienrechtliche Stellung – mit zu den Totenfürsorgeberechtigten zählen. In einigen Landesgesetzen bleibt dieser aber noch immer außen vor. Daher sollte, um das Bestimmungsrecht klarzustellen, in einer Vorsorgevollmacht das Totenfürsorgerecht dem nichtehelichen Lebensgefährten ausdrücklich zugewiesen werden.
Der Kreis der Bestimmungsberechtigten ist bewusst eng gezogen, um eventuell auftretende sachfremde Erwägungen dem Verstorbenen nicht so nahestehender Personen (z.B. Kostengesichtspunkte) auszuschließen.
Nichten und Neffen sollen angesichts des entfernteren Verwandtschaftsgrades und der damit einhergehenden geringeren Nähe zum Verstorbenen nicht zum Kreis der Bestattungsberechtigten gehören. Es wird hierbei jedoch auch immer auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen sein.
Rz. 46
Die familienrechtlichen Bindungen der Angehörigen untereinander verpflichten diese, einer den Wünschen des Erblassers entsprechenden beabsichtigten Maßnahme zuzustimmen. Sind mehrere gleichrangig Berechtigte vorhanden, so ist die Einwilligung aller zu den vorgesehenen Anordnungen erforderlich.
Rz. 47
Wie in dem Fall, dass sich die gleichrangig Be...