Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Bestattungskosten. Bestattungspflicht. Rheinland-Pfalz. Fehlgeburt
Orientierungssatz
§ 8 Abs 2 S 3 BestattG RP ist dahingehend auszulegen, dass sich mit der Wahrnehmung des Bestattungsrechts durch ein Elternteil dieses Bestattungsrecht in eine Bestattungspflicht wandelt.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 6. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Mai 2018 dem Grunde nach verurteilt, die erforderlichen Kosten der Bestattung des 2017 fehlgeborenen Kindes des Klägers zu übernehmen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Pflicht der Beklagten zur Übernahme von Bestattungskosten nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII).
Der 1986 geborene Kläger stammt ebenso wie seine 1983 geborene Ehefrau aus Syrien. Mit ihren 2010 und 2014 geborenen Kindern R und H leben sie seit dem 1. Januar 2017 in L und standen jedenfalls von 30. Juli 2017 bis zum 31. Januar 2018 erwerbseinkommens- und vermögenslos im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs. Zumindest der Kläger und die beiden genannten Kinder verfügten über am 13. Juli 2017 bis zum 29. Juli 2019 aufgrund subsidiären Schutzes erteilte Aufenthaltstitel in Form von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet. Dem Kläger war eine Erwerbstätigkeit gestattet. Alle Familienmitglieder sind syrische Staatsangehörige.
Die Ehefrau des Klägers brachte 2017 das gemeinsame weitere Kind M mit einem Gewicht von 174 Gramm in einem L Krankenhaus tot zur Welt. Das Krankenhaus stellte nach § 31 Abs. 3 Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes a. F. eine Bescheinigung aus. Angaben zur Schwangerschaftswoche sind nicht enthalten. Auf Wunsch jedenfalls des Klägers wurde das Kind M bestattet. Ein islamisches Bestattungsinstitut stellte unter dem 13. September 2017 einen Betrag in Höhe von 790,00 Euro für seine diesbezüglichen Leistungen in Rechnung. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2017 forderte der für die Friedhöfe zuständige Eigenbetrieb der Beklagten von dem Kläger, der die Bestattung beauftragt habe, 470,00 Euro an Gebühren für die Nutzung eines Reihengrabs für Kinder, die Sargbeisetzung einer Früh- bzw. Totgeburt sowie die Bestattungsgenehmigung.
Am 9. Oktober 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten gemäß § 74 SGB XII. Zahlungen sollten direkt auf die Konten der Rechnungssteller erfolgen. Die Beklagte vermerkte, weil beide Elternteile des Verstorbenen Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs bezögen, sei ein gesonderter Antrag der Kindsmutter nicht unbedingt notwendig.
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf die begehrte Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII ab. Zur Begründung führte sie aus, § 8 Abs. 2 rheinland-pfälzisches Bestattungsgesetz (BestG) zufolge müsse jede Leiche bestattet werden. Auf tot geborene oder in der Geburt verstorbene Kinder finde diese Bestimmung allerdings nur Anwendung, wenn das Gewicht des Kindes mindestens 500 Gramm betrage. Da das Gewicht des Kindes M lediglich 174 Gramm betragen habe, treffe die Eltern keine Bestattungspflicht. Stattdessen müsse die medizinische Einrichtung das Kind würdevoll beisetzen. Wer wie der Kläger die Durchführung der Bestattung aus dem Gefühl sittlicher Verpflichtung, aber ohne Rechtspflicht übernehme, sei nicht als Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII anzusehen. Dies habe zur Folge, dass er auch nicht als Empfänger dieser Sozialleistung in Betracht komme.
Am 12. Dezember 2017 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung führte er insbesondere aus, ihm sei von dem Bestattungsunternehmer mehrfach auf seine Frage, ob er etwas für die Bestattung bezahlen müsste, versichert worden, dass die Kosten übernommen würden. § 8 Abs. 2 BestG sehe ausdrücklich vor, dass bei entsprechendem Wunsch eines Elternteils eine Bestattung auch im Falle einer Fehlgeburt, mithin bei einem Geburtsgewicht von weniger als 500 Gramm, zu genehmigen sei. Die medizinische Einrichtung bzw. der Arzt hätten bei der Geburt die Eltern auf diese Bestattungsmöglichkeit hinzuweisen. Zur gleichlautenden Regelung im nordrhein-westfälischen Bestattungsrecht sei daher durch eine Landesverordnung auch ausdrücklich bestimmt worden, dass die Eltern nicht auf die Bestattung durch das Krankenhaus verwiesen werden könnten und in diesen Fällen nach § 74 SGB XII die Kosten für eine einfache Bestattung zu berücksichtigen wären. Mit diesen Regelungen solle die Trauer der Eltern auch im Falle einer Fehlgeburt respektiert und ebenfalls berücksichtigt werden, dass inzwischen vielfach auch Friedhöfe bereits für die Bestattung der Sternenkinder Gräber zur Verfügung stellten. Gerade ein besuchbares Grab sei zur Bewältigung der Trauer sehr wichtig. Bei dem...