Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 260
Das Bundeskartellamt prüft einen Zusammenschluss ausschließlich unter wettbewerblichen Gesichtspunkten. Der Prüfungsmaßstab ergibt sich aus § 36 Abs. 1 GWB. Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB zu untersagen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann,
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wenn die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und dass diese Verbesserungen die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (sog. "Abwägungsklausel" – § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GWB) oder |
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wenn die Untersagungsvoraussetzungen ausschließlich auf einem Markt vorliegen, auf dem seit mindestens 5 Jahren Leistungen angeboten werden und auf dem im letzten Kalenderjahr in Deutschland weniger als 20 Mio. EUR umgesetzt wurden, es sei denn, es handelt sich um einen Markt, auf dem Leistungen unentgeltlich angeboten werden (sog. Bagatellmarktklausel – § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB) oder |
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für sog. Sanierungsfusionen im Pressebereich (§ 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GWB). |
Rz. 261
Nach § 18 Abs. 1 GWB ist ein Unternehmen marktbeherrschend, wenn es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen entweder ohne Wettbewerber bzw. keinem wesentlichen Wettbewerber ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Haben zwei oder mehr Unternehmen gemeinsam eine solche Marktstellung und besteht zwischen ihnen kein wesentlicher Wettbewerb, sind sie ebenfalls marktbeherrschend (§ 18 Abs. 5 GWB). Der Annahme eines Marktes steht dabei nicht entgegen, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird (§ 18 Abs. 2a GWB).
Rz. 262
Eine Besonderheit des deutschen Kartellrechts sind die gesetzlichen Marktbeherrschungsvermutungen:
Bei Unternehmen, die einen Marktanteil von mindestens 40 % haben, wird gem. § 18 Abs. 4 GWB vermutet, dass sie marktbeherrschend sind (sog. "Einzelmarktbeherrschung"). Diese Vermutung kann von den betroffenen Unternehmen widerlegt werden.
Mehrere Unternehmen gelten gem. § 18 Abs. 6 und 7 GWB als marktbeherrschend, wenn
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es sich um 3 oder weniger Unternehmen handelt, die zusammen einen Marktanteil von 50 % erreichen oder |
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es sich um 5 oder weniger Unternehmen handelt, die zusammen einen Marktanteil von ⅔ erreichen, |
es sei denn, sie weisen nach, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder sie in ihrer Gesamtheit im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung haben (sog. "oligopolistische Marktbeherrschung").
Das Bundeskartellamt kann aber auch in Fällen, in denen die gesetzlichen Marktbeherrschungsvermutungen nicht erfüllt sind, zu dem Ergebnis kommen, dass durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird.