Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 233
Nach § 35 Abs. 1 GWB ist die deutsche Fusionskontrolle anwendbar, wenn
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die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. EUR erzielt haben und zusätzlich |
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mindestens ein beteiligtes Unternehmen in Deutschland Umsatzerlöse von mehr als 50 Mio. EUR und |
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ein anderes beteiligtes Unternehmen in Deutschland Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Mio. EUR erzielt hat. |
Rz. 234
Ausnahmsweise ist die deutsche Fusionskontrolle gem. § 35 Abs. 1a GWB auch anwendbar, wenn nur die beiden ersten der oben genannten Umsatzschwellen erreicht werden, sofern
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der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Mio. EUR beträgt, und zusätzlich |
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das zu erwerbende Unternehmen in erheblichem Umfang in Deutschland tätig ist. |
Der Begriff der "Gegenleistung" wird in § 38 Abs. 4a GWB definiert als alle Vermögensgegenstände und sonstigen geldwerten Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss erhält (Kaufpreis), zuzüglich des Wertes etwaiger vom Erwerber übernommener Verbindlichkeiten.
Rz. 235
"Beteiligte Unternehmen" für die Zwecke der Umsatzberechnung sind i.d.R. Erwerber und erworbenes Unternehmen (bzw. der erworbene Unternehmensteil), nicht aber der Veräußerer. Insoweit gelten ähnliche Grundsätze wie in der EU-Fusionskontrolle (vgl. dazu o. Rdn 143 ff.). Auf die Umsätze des Veräußerers kommt es nur an, wenn er zu mindestens 25 % am erworbenen Unternehmen beteiligt bleibt oder einen (mit-)kontrollierenden Einfluss auf das erworbene Unternehmen behält. Zwei oder mehr Erwerbsvorgänge, die innerhalb von 2 Jahren zwischen denselben Personen oder Unternehmen getätigt werden, werden als ein einziger anmeldepflichtiger Zusammenschluss behandelt, der zum Zeitpunkt des letzten Erwerbsvorgangs stattfindet, wenn erst durch die gemeinsame Berücksichtigung die Schwellenwerte überschritten werden (§ 38 Abs. 5 Satz 3 GWB).
Rz. 236
Die Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen sind für das jeweils letzte abgeschlossene Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss zu ermitteln. Für ihre Berechnung verweist § 38 Abs. 1 Satz 1 GWB auf § 277 Abs. 1 HGB. Danach ist grds. – wie auch i.R.d. EU-Fusionskontrolle – auf die Erlöse aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens abzustellen, abzgl. Erlösschmälerungen, USt und etwaiger Verbrauchsteuern.
Rz. 237
Ähnlich wie in der EU-Fusionskontrolle sind miteinander verbundene Unternehmen als Einheit zu behandeln. Das ergibt sich aus § 36 Abs. 2 GWB, der auf §§ 17, 18 AktG verweist. Im Unterschied zur EU-Fusionskontrolle werden gem. § 36 Abs. 2 Satz 2 GWB Umsätze von Gemeinschaftsunternehmen (also von Unternehmen, an denen ein beteiligtes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar nur eine Mitkontrolle besitzt), vollständig, d.h. nicht nur anteilig, mitberücksichtigt. Für die Umsatzberechnung bleiben lediglich die "Innenumsätze" zwischen den auf diese Weise verbundenen Unternehmen außer Betracht (§ 38 Abs. 1 Satz 2 GWB).
Rz. 238
Auch in der deutschen Fusionskontrolle gibt es bei der Umsatzberechnung Sonderregeln für Banken und Versicherungen (§ 38 Abs. 4 GWB).
Rz. 239
Anders als im Bereich der EU-Fusionskontrolle gelten in der deutschen Fusionskontrolle darüber hinaus auch besondere Regelungen für die Berechnung von Handels-, Presse- und Rundfunkumsätzen. Gem. § 38 Abs. 2 GWB sind Umsatzerlöse, die mit dem Handel von Waren erzielt werden ("Handelsumsätze"), nur mit drei Viertel in Ansatz zu bringen. Umsatzerlöse, die mit dem Verlag, der Herstellung und dem Vertrieb von Zeitungen, Zeitschriften und deren Bestandteilen ("Presseumsätze") erzielt werden, werden ebenso mit dem Faktor 8 angesetzt, wie Umsatzerlöse, die mit der Herstellung, dem Vertrieb und der Veranstaltung von Rundfunkprogrammen und dem Absatz von Rundfunkwerbezeiten ("Rundfunkumsätze") erzielt werden (§ 38 Abs. 3 GWB).