Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 67
Gem. § 33 Abs. 1 GWB ist, wer gegen § 1 GWB oder Art. 101 AEUV verstößt, dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist, § 33 Abs. 3 GWB.
Die bloße Beeinträchtigung reicht demnach aus, nicht erforderlich ist daher, dass sich die Kartellabsprache gezielt gegen den Anspruchsteller richtet.
Rz. 68
Gem. § 33a Abs. 1 GWB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einen Verstoß nach § 33 Abs. 1 GWB vorsätzlich oder fahrlässig begeht. Nach § 33a Abs. 2 Satz 1 GWB wird die Verursachung eines Schadens durch ein Kartell widerleglich vermutet. Ob das Betroffenheitskriterium des § 33 Abs. 3 GWB (n.F.) weiterhin auch für den Schadensersatzanspruch aus § 33a Abs. 1 GWB gilt, kann dahinstehen. Zwar verweist § 33a Abs. 1 GWB auf § 33 Abs. 1 GWB, jedoch hat der EuGH festgestellt, dass jedermann, der durch einen Kartellrechtsverstoß einen Schaden erlitten hat, anspruchsberechtigt ist.
Rz. 69
Im Prozess problematisch sind Darlegung und Beweis des konkreten Schadens. Die Beweislast dafür, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist, trägt der Anspruchsteller. Allerdings wurde diese Beweisführung durch den vom BGH aufgestellten Erfahrungssatz erleichtert, wonach es nach der Lebenserfahrung nahe liegt, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise höher liegen als die im Wettbewerb erreichbaren Marktpreise. § 33a Abs. 2 Satz 1 GWB enthält nunmehr eine widerlegliche Vermutung dafür. Die Vermutung gilt nur für Kartelle, die in § 33a Abs. 2 Satz 2, 3 GWB legaldefiniert werden. Danach greift die Vermutung nicht für Fälle eines einseitigen Missbrauchs von Marktmacht oder einer vertikalen Absprache. Gem. § 33a Abs. 3 Satz 1 GWB findet § 287 ZPO hinsichtlich der Schadenshöhe Anwendung, wie bereits der BGH festgestellt hat. Bei der Entscheidung über die Schadenshöhe nach § 287 ZPO kann gem. § 33a Abs. 3 Satz 2 GWB insb. der anteilige Gewinn, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat, berücksichtigt werden.
Rz. 70
Um im Fall einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache etwaige Nachweisprobleme über die Entstehung und Höhe eines Schadens zu vermeiden, werden insbesondere in den AGB von Vergabeverträgen oder Ausschreibungen sog. Schadenspauschalierungsklauseln verwendet. Der BGH hat solche Klauseln unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig angesehen:
▪ |
Es genügt eine unabhängig vom konkreten Einzelfall allgemein getroffene Absprache auf dem betroffenen Markt; es muss keine wettbewerbswidrige Absprache über den konkreten Vertrag getroffen worden sein. |
▪ |
Die Höhe des pauschalierten Schadens muss sich auf den nach gewöhnlichem Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden beziehen. Basis hierfür ist eine allgemeine (nicht branchenspezifische) ökonomisch fundierte Analyse des kartellbedingten Schadens. Der BGH sieht dabei eine Pauschale von 5 % bis max. 15 % als rechtmäßig an. Der Verwender trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. |
▪ |
Schließlich muss der Schädiger die Möglichkeit zum Nachweis haben, dass dem Klauselverwender kein oder ein wesentlich geringerer Schaden entstanden ist. Hierfür trägt der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast. |
Rz. 71
Nach der SD-Papier-Entscheidung des BGH kann auch mittelbaren Abnehmern ein Schadensersatzanspruch zustehen. Eine Vorteilsausgleichung kommt auch im Kartellschadensersatzverfahren in Betracht. Durch die passing-on-defence ist nach Ansicht des BGH auch die Mehrfachbelastung des Schädigers ausgeschlossen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn im Zivilprozess auch die Möglichkeit der Streitverkündung genutzt wird.
Rz. 72
Gem. § 33c Abs. 1 Satz 1 GWB ist die Geltendmachung eines Schadens nicht deshalb ausgeschlossen, weil die zu einem überteuerten Preis bezogene Ware bzw. Dienstleistung weiterveräußert wurde. Allerdings führt § 33c Abs. 1 Satz 2 GWB die Grundsätze der Vorteilsausgleichung nunmehr unmittelbar ein und bestätigt somit deren Zulässigkeit im Wettbewerbsrecht. Der Schädiger trägt für eine solche Schadensabwälzung nach den zivilprozessualen Grundsätzen die Beweislast. Klagt der mittelbare Abnehmer auf Schadensersatz, kann er sich auf die Schadensvermutung nach § 33a Abs. 2 Satz 1 GWB berufen, wobei nur die Existenz des Schadens und die Kausalität des Kartellrechtsverstoßes für den Schaden vermutet werden. Den Nachweis des Eintritts eines Schadens müssen indirekte Abnehmer dagegen selbst führen. Bei dem Nachweis der Schadensabwälzung durch den unmittelbaren Abnehmer helfen ihm aber die Möglichkeit einer Schätzung durch das Gericht nach § 33c Abs. 5 GWB i.V.m. § 287 ZPO, die Offenlegungsansprüche nach § 33g GWB sowie insb. die Vermutung der Schadensabwälzung nach § 33c Abs. 2 GWB. Diese Vermutung gilt nur dem Grunde nach, die Höhe der Schadensabwälzung ist vom mittelbaren Abnehmer nachzuweisen. Ausnahmsweise kommt nach der Rspr. des BGH ein Vorteilsausgleich aber dann nicht in Betracht, wenn die A...