Dr. Thilo Klingbeil, Dr. iur. Simon Kohm
Rz. 109
Die Bestimmungen, Erläuterungen und Anmeldeformulare zur Anmeldung von Zusammenschlüssen bei Überschreitung der EU-Schwellenwerte sind unter http://ec.europa.eu/comm/competition/mergers/legislation/legislation.html abrufbar.
Rz. 110
Ein Zusammenschluss nach der EU-Fusionskontroll-Verordnung Nr. 139/2004 liegt vor, wenn zwei oder mehr bisher voneinander unabhängige Unternehmen oder Unternehmensteile fusionieren oder wenn Personen, die mindestens ein Unternehmen kontrollieren, oder Unternehmen durch den Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten, durch Vertrag oder in sonstiger Weise die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Gesamtheit oder Teile eines anderen Unternehmens erwerben (Art. 3 Abs. 1 VO 139/2004).
Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens stellt einen Zusammenschluss dar, wenn das Unternehmen dauerhaft alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt (Art. 3 Abs. 4 VO 139/2004), also eine beständige Veränderung der Struktur der beteiligten Unternehmen die Folge ist. Das Gemeinschaftsunternehmen muss auf Dauer angelegt sein und die Funktionen ausüben, die auch von anderen Unternehmen in dem gegebenen Markt wahrgenommen werden; bloße Hilfsfunktionen ohne eigenen Zugang zum Markt genügen i.d.R. nicht. Die Muttergesellschaften üben gemeinsame Kontrolle aus, wenn sie bei allen wichtigen Entscheidungen betreffend das Gemeinschaftsunternehmen Übereinstimmung erzielen müssen. Soweit die Gründung eines Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens (auch) eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleibender Mutterunternehmen bezweckt oder bewirkt, erfolgt materiell eine Doppelkontrolle; neben der strukturellen Kontrolle (Art. 2 Abs. 2 und 3 VO 139/2004) ist die Verhaltenskoordinierung auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 101 AEUV zu prüfen (Art. 2 Abs. 4 und 5 VO 139/2004).
Rz. 111
Die europäische Fusionskontrolle erfasst Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung. Dies sind Zusammenschlüsse, bei denen ein weltweiter Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen von mehr als fünf Mrd. EUR und ein gemeinschaftsweiter Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen von jeweils mehr als 250 Mio. EUR erreicht wird, soweit die Beteiligten nicht jeweils mehr als zwei Drittel ihres Umsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen (Art. 1 Abs. 2 VO 139/2004). Eine gemeinschaftsweite Bedeutung liegt auch vor, wenn kumulativ als Voraussetzungen erfüllt sind, dass der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen mehr als 2,5 Mrd. EUR beträgt, der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten 100 Mio. EUR übersteigt, mindestens zwei Beteiligte in den genannten drei Mitgliedstaaten einen Gesamtumsatz von jeweils mehr als 25 Mio. EUR erwirtschaften, der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils 100 Mio. EUR übersteigt und die beteiligten Unternehmen nicht jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen (Art. 1 Abs. 3 VO 139/2004). Werden die Schwellenwerte erreicht, ist eine nationale Fusionskontrolle ausgeschlossen, es sei denn, es erfolgt seitens der Kommission eine Verweisung an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten (Art. 9 VO 139/2004).
Die Gesamtumsätze errechnen sich aus den weltweiten Umsätzen der beteiligten Unternehmen, die diese im letzten Geschäftsjahr mit Waren und Dienstleistungen erzielt haben, die ihrem normalen geschäftlichen Tätigkeitsbereich zuzuordnen sind, unter Abzug von Erlösschmälerungen, Mehrwertsteuer und anderer unmittelbar auf den Umsatz bezogener Steuern (Art. 5 Abs. 1 VO 139/2004). Bei Konzern- bzw. abhängigen Unternehmen ist der konsolidierte Umsatz des gesamten Konzerns maßgeblich, also der Binnenumsatz außer Betracht zu lassen; Gleiches gilt für Gemeinschaftsunternehmen (Art. 5 Abs. 4 und 5 VO 139/2004). Wird nur ein Teil eines Unternehmens erworben, ist aufseiten des Veräußerers nur der auf diesen Teil entfallende Umsatz maßgeblich. Die Zuordnung von Umsätzen zu einem Mitgliedstaat bzw. zur Gemeinschaft ergibt sich aus dem Umsatz, der mit Käufern erzielt wird, die ihren Sitz zum Zeitpunkt des Geschäftes in dem Mitgliedstaat bzw. der Gemeinschaft gehabt haben. Die Umrechnung des in einer nationalen Währung ausgedrückten Umsatzes ist nach dem Euro-Mittelwert des maßgeblichen Geschäftsjahres vorzunehmen.
Rz. 112
Zusammenschlüsse sind nach dem Vertragsabschluss oder der Veröffentlichung des Übernahmeangebots oder des Erwerbs einer die Kontrolle begründenden Beteiligung vor dem Vollzug bei der Kommission anzumelden (Art. 4 Abs. 1 VO 139/2004). Der Vollzug eines Zusammenschlusses ohne vorherige Anmeldung kann mit einem Bußgeld belegt werden (Art. 14 Abs. 2 VO 139/2004). Eine Fusion kann auch schon vorher angemeldet werden und muss dementsprechend von der Kommission entschieden werden, wenn die Beteiligten den Willen zum Vertragsschluss oder d...