Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 61
Unterfällt das fragliche Verhalten dem Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB und ist es nicht gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV, §§ 2, 3 GWB freigestellt, liegt ein kartellrechtlicher Verstoß vor. Als Rechtsfolgen eines Verstoßes kommen zivilrechtliche, strafrechtliche sowie ordnungsrechtliche Folgen in Betracht.
1. Zivilrechtliche Folgen
a) Wirksamkeit einer Vereinbarung
Rz. 62
Gem. Art. 101 Abs. 2 AEUV bzw. § 1 GWB i.V.m. § 134 BGB sind Vereinbarungen, die gegen das Kartellverbot verstoßen, nichtig. Diese Rechtsfolge tritt unmittelbar ein, eine Entscheidung einer Kartellbehörde ist hierfür nicht erforderlich. Dies ist eine Konsequenz des Prinzips der Legalausnahme (s.o. Rdn 39). Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Wirksamkeit einer Vereinbarung, trägt gem. Art. 2 Satz 1 VO 1/2003, die Partei, die sich auf den Verstoß gegen das Kartellverbot beruft, die Beweislast dafür. Die andere Partei trägt hingegen die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für eine Freistellung vorliegen. Diese Beweislastverteilung entspricht den allgemeinen deutschen zivilprozessualen Grundsätzen.
Rz. 63
Die Wirksamkeit der Teile einer Vereinbarung, die nicht wettbewerbsbeschränkend sind und vom kartellrechtswidrigen Teil getrennt werden können, richtet sich nach nationalem Recht, somit nach § 139 BGB. Demnach ist Gesamtnichtigkeit anzunehmen, wenn nicht davon auszugehen ist, dass das Rechtsgeschäft nach dem Willen der Parteien auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Die Rückabwicklung etwaiger Leistungen richtet sich nach Bereicherungsrecht, wobei insb. § 817 Satz 2 BGB zu beachten ist.
Hinweis
In der Praxis vereinbaren die Parteien häufig salvatorische Klauseln, um sich gegen das Risiko der Gesamtnichtigkeit abzusichern.
Rz. 64
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Muster 26.1: Salvatorische Klausel
Sollte eine Bestimmung dieses Vertrags ganz oder teilweise nichtig, unwirksam oder nicht durchsetzbar sein oder werden, wird die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit aller übrigen verbleibenden Bestimmungen davon nicht berührt. Die nichtige, unwirksame oder nicht durchsetzbare Bestimmung ist als durch diejenige wirksame und durchsetzbare Bestimmung ersetzt anzusehen, die dem mit der nichtigen, unwirksamen oder nicht durchsetzbaren Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck nach Gegenstand, Maß, Zeit, Ort und Geltungsbereich am nächsten kommt. Entsprechendes gilt für die Füllung etwaiger Lücken in diesem Vertrag.
Nach Auffassung des BGH enthält eine derartige Klausel eine Bestimmung über die Darlegungs- und Beweislastverteilung im Rahmen des § 139 BGB. Aufgrund der salvatorischen Klausel sei die Partei, die sich auf die Gesamtnichtigkeit berufe, hierfür darlegungs- und beweispflichtig.
Rz. 65
Handelt es sich um einen "quantitativen" Verstoß gegen das Kartellverbot, z.B. weil ein überlanges Wettbewerbsverbot vereinbart wurde, ist nach dem BGH eine geltungserhaltende Reduktion möglich, bei der das Wettbewerbsverbot mit einer kürzeren, zulässigen Dauer aufrechterhalten bleibt.
Rz. 66
Grds. ist die Berufung jeder Partei auf die Nichtigkeit ohne Verstoß gegen Treu und Glauben möglich. Die Berufung auf die Gesamtnichtigkeit gem. § 139 BGB kann aber nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn sich dies als unzulässige Rechtsausübung darstellen würde, z.B. wenn ein Vertragspartner sich hierdurch einer an sich nicht zu beanstandenden Zahlungspflicht entziehen will.
b) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche Dritter
Rz. 67
Gem. § 33 Abs. 1 GWB ist, wer gegen § 1 GWB oder Art. 101 AEUV verstößt, dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist, § 33 Abs. 3 GWB.
Die bloße Beeinträchtigung reicht demnach aus, nicht erforderlich ist daher, dass sich die Kartellabsprache gezielt gegen den Anspruchsteller richtet.
Rz. 68
Gem. § 33a Abs. 1 GWB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einen Verstoß nach § 33 Abs. 1 GWB vorsätzlich oder fahrlässig begeht. Nach § 33a Abs. 2 Satz 1 GWB wird die Verursachung eines Schadens durch ein Kartell widerleglich vermutet. Ob das Betroffenheitskriterium des § 33 Abs. 3 GWB (n.F.) weiterhin auch für den Schadensersatzanspruch aus § 33a Abs. 1 GWB gilt, kann dahinstehen. Zwar verweist § 33a Abs. 1 GWB auf § 33 Abs. 1 GWB, jedoch hat der EuGH festgestellt, dass jedermann, der durch einen Kartellrechtsverstoß einen Schaden erlitten hat, anspruchsberechtigt ist.
Rz. 69
Im Prozess problematisch sind Darlegung und Beweis des konkreten Schadens. Die Beweislast dafür, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist, trägt der Anspruchsteller. Allerdings wurde diese Beweisführung durch den vom BGH aufgestellten Erfahrungssatz erleichtert, wonach es nach ...