Rz. 168
Bei der negativen Feststellungsklage entsteht das rechtliche Interesse des Klägers regelmäßig aus einer vom Beklagten aufgestellten Bestandsbehauptung ("Berühmung") der vom Kläger verneinten Rechtslage. Ob der Anspruch tatsächlich besteht oder nicht, ist dabei ohne Belang. Auf die Erhebung der Einrede der – eingetretenen – Verjährung muss sich der Kläger grundsätzlich nicht verweisen lassen: Während durch ein dem negativen Feststellungsantrag stattgebendes Urteil das Nichtbestehen der Forderung festgestellt wird, berechtigt die Verjährungseinrede den Schuldner nur dazu, die an sich geschuldete Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB); eine Aufrechnung oder Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch den Gläubiger bleibt unter Umständen möglich (§ 215 BGB). Die Voraussetzungen für ein rechtliches Interesse an einer negativen Feststellungsklage decken sich nicht vollständig mit der Frage, ob dem Vorbringen eines auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten entnommen werden kann, dass die einen Unterlassungsanspruch begründende Gefahr eines erstmaligen Verstoßes besteht.
Rz. 169
Das "Berühmen" braucht einerseits nicht notwendig ausdrücklich zu geschehen, insbesondere erfordert es grundsätzlich keine über die Bestandsbehauptung der vom Kläger verneinten Rechtslage hinausgehenden Maßnahmen oder gar konkreter rechtlicher Schritte; andererseits reicht dafür ein bloßes Schweigen oder passives Verhalten im Allgemeinen nicht aus, es sei denn, der Kläger darf aufgrund vorangegangenen Verhaltens des Beklagten nach Treu und Glauben eine ihn endgültig sicherstellende Erklärung erwarten. Ein Feststellungsinteresse kann daher schon dann gegeben sein, wenn der Kläger befürchten muss, dass ihm der Beklagte aufgrund seines vermeintlichen Rechts ernstliche Hindernisse entgegensetzen wird, weil der Beklagte mit einer nach Treu und Glauben zu erwartenden eindeutigen Erklärung zurückhält.
Rz. 170
Erforderlich ist, dass das "Berühmen" nicht nur ernstlich gemeint ist, sondern auch nach objektiver Würdigung eine Gefahr für den Kläger begründet. Der Umstand, dass das zum Anlass für die negative Feststellungsklage genommene "Berühmen" bereits geraume Zeit zurückliegt, kann daher gegen ein Feststellungsinteresse sprechen.
Rz. 171
Das Feststellungsinteresse für eine negative Feststellungsklage ist streng zu prüfen. In der Praxis werden nicht selten negative Feststellungsklagen erhoben, die überflüssig sind und die offensichtlich nur dazu dienen, den Gegner zu verärgern und mit Kosten und Gebühren zu überziehen. Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Es reicht für die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage also aus, wenn ein Beklagter, der zuvor keinen Anlass zur Klage gegeben hat, sich im Laufe des Prozesses des in Rede stehenden Anspruchs berühmt. Dafür genügt es auch, dass sich der Beklagte – zumindest – hilfsweise auch mit materiell-rechtlichen Argumenten verteidigt: Mit der Behauptung, ihm stehe ein bestimmter Anspruch gegen den Kläger zu, schafft der Beklagte einen Zustand der Rechtsunsicherheit, der grundsätzlich ein hinreichendes Interesse an gerichtlicher Klärung begründet. Dem Umstand, dass die Rechtsbehauptung nur zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen eine negative Feststellungsklage erfolgt, die der Beklagte in erster Linie als unzulässig beanstandet, kommt in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Wenn der Beklagte zum Ausdruck bringt, dass er sich bei Zulässigkeit der Klage auf eine ihm zustehende Rechtsposition berufen will, lässt er unabhängig vom Anlass dieser Äußerung erkennen, dass er ein solches Recht für sich in Anspruch nimmt und unter bestimmten Voraussetzungen geltend machen will.
Rz. 172
Darauf, ob der Beklagte behauptet, bereits jetzt eine durchsetzbare Forderung gegenüber dem Kläger zu besitzen, kommt es allerdings nicht an; die Rechtsstellung des Klägers ist vielmehr schon schutzwürdig betroffen, wenn der Beklagte geltend macht, aus einem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch gegen den Kläger ergeben (siehe auch Rdn 82). Die bloße unverbindliche Ankündigung, unter bestimmten Voraussetzungen in eine Prüfung einzutreten, ob ein Anspruch gegen den Betroffenen besteht, stellt dagegen noch kein "Berühmen" dar, das ein alsbaldiges Interesse an gerichtlicher Klärung eines Rechtsverhältnisses der Parteien zu begründen vermag. Allein die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens – unabhängig, ob nach § 487 Abs. 1 ZPO oder nach § 487 Abs. 2 ZPO – ist ebenfalls (noch) nicht als Geltendmachung eines Anspruchs anzusehen, sondern (nur) als vorgelagerte Prüfung; Erklärungen, die eine Partei im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens abgibt, sind unter Berücksichtigung dieses Verfahrenskontextes auszulegen, was gegen ein Berühmen sprechen kann. Macht der Antragsteller dagegen nach Abschluss des selbstständigen Be...