Rz. 135

Dem Kläger ist es grundsätzlich unbenommen, im Laufe des Prozesses von der Leistungsklage zur Feststellungsklage oder umgekehrt überzugehen, wenn die Voraussetzungen jeweils gegeben sind. Wenn der neue Antrag sich auf dasselbe Rechtsverhältnis bezieht, das heißt bei gleichbleibendem Klagegrund nur weitergehende oder geringe Rechtsfolgen aus diesem hergeleitet werden, liegt darin lediglich eine Erweiterung oder Beschränkung des ursprünglichen Klageantrags (§ 264 Nr. 2 ZPO). Die Erweiterung des Klageantrags, das heißt der Übergang von der Feststellungs- auf die Leistungsklage, ist demnach zulässig, ohne dass der Beklagte zustimmen oder das Gericht sie für sachdienlich erachten müsste; dies gilt auch im zweiten Rechtszug.[384]

 

Rz. 136

Umstritten ist, ob dies auch für die Beschränkung des Klageantrags – also den Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage – gilt, sofern darin eine teilweise Klagerücknahme – und nicht eine Erledigungserklärung oder ein Verzicht[385] – liegt und über den ursprünglichen Anspruch bereits verhandelt worden ist (§ 269 Abs. 1 ZPO).[386] Sofern man eine Einwilligung des Beklagten (§ 269 Abs. 1 ZPO) für erforderlich erachtet, kann diese jedoch auch durch schlüssiges Handeln erfolgen, wofür es ausreicht, wenn sich aus den Gesamtumständen – beispielsweise durch einen Kostenantrag[387] – ergibt, dass die beklagte Partei mit der teilweisen Beschränkung des Klageantrages einverstanden ist.[388] Nicht ausreichend für die Annahme einer konkludenten Einwilligung ist das bloße Schweigen des Beklagten.[389] Im Antrag auf Abweisung der Klage oder Zurückweisung des Rechtsmittels liegt die Verweigerung der Einwilligung.[390]

 

Rz. 137

Wenn der Übergang erst durch ein Rechtsmittel herbeigeführt wird, bedarf die erforderliche Beschwer (siehe unten § 28 Rdn 12 ff.) besonderer Beachtung: Eine Berufung trotz obsiegenden Urteils allein zum Zwecke der Klageerweiterung ist unzulässig. Folglich kann der Kläger, der mit seinem Feststellungsbegehren obsiegt hat, mangels Beschwer nicht Berufung einlegen, (nur) um auf einen den Streitgegenstand der Feststellungsklage betreffenden Leistungsantrag überzugehen.[391] Wohl aber kann er im Falle einer Berufung des Beklagten, die sein Feststellungsinteresse in Abrede stellt, mit einer fristgerechten Anschlussberufung (§ 524 ZPO, siehe dazu § 28 Rdn 176 ff.)[392] auf einen Leistungsantrag umstellen.[393] Ist der Kläger in erster Instanz mit neben einem Feststellungsbegehren gestellten Leistungsanträgen unterlegen und will er diese Beschwer beseitigen, kann er sein Rechtsmittel gleichzeitig dazu nutzen, seinen in erster Instanz gestellten Feststellungsantrag, mit dem er obsiegt hat, in der Berufungsinstanz zum Zwecke der Erweiterung anhängig zu machen und von der zuerkannten Feststellung zur – gegebenenfalls teilweisen – Leistung übergehen.[394] Ebenso kann ein in der ersten Instanz mit seinem Feststellungsantrag unterlegener Kläger in der Berufungsinstanz auf einen diesbezüglichen Leistungsantrag übergehen.[395]

Zu der mit einer Erweiterung verbundenen Frage einer entgegenstehenden (Teil-)Rechtskraft bei nur teilweiser Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung siehe unten § 28 Rdn 50.

[384] BGH, Beschl. v. 2.5.2017 – VI ZR 85/16, NJW 2017, 2623 Rn 14; BGH, Urt. v. 4.7.2013 – VII ZR 52/12, NJW-RR 2013, 1105 Rn 11; BGH, Urt. v. 16.5.2001 – XII ZR 199/98, NJW-RR 2002, 283; BGH, Urt. v. 12.5.1992 – VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296; BGH, Urt. v. 4.10.1984 – VII ZR 162/83, NJW 1985, 1784; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.7.2011 – VI-U (Kart) 11/11, NJW 2012, 85; OLG Frankfurt, Urt. v. 16.3.2010 – 14 U 31/04, juris sowie – zur privilegierten Klageänderung gem. § 264 ZPO in zweiter Instanz-BGH, Urt. v. 19.3.2004 – V ZR 104/03, BGHZ 158, 295.
[385] BGH, Urt. v. 1.6.1990 – V ZR 48/89, NJW 1990, 2682; Thomas/Putzo/Reichold, § 264 Rn 6.
[386] Keine Zustimmung des Beklagten erforderlich: BAG, Urt. v. 15.6.2016 – 4 AZR 485/14, NZA 2017, 593 Rn 27; OLG Frankfurt, Urt. v. 28.8.2001 – 11 U (Kart) 32/96, juris Rn 60 ff.; Musielak/Voit/Foerste, § 264 Rn 6; HK-ZPO/Saenger, § 264 Rn 6; MüKoZPO/Becker-Eberhard, § 264 Rn 23 m.w.N; Rosenberg/Schwab/Gottwald/Gottwald, § 100 Rn 25 ff.; Brammsen/Leible, JuS 1997, 54 (60); Zustimmung des Beklagten erforderlich: – mit Überblick zum Streitstand – OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.7.2011 – VI-U (Kart) 11/11, NJW 2012, 85; Zöller/Greger, § 264 Rn 4a; Thomas/Putzo/Reichold, § 264 Rn 6.
[388] OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.7.2011 – VI-U (Kart) 11/11, NJW 2012, 85; OLG Koblenz, Urt. v. 11.7.2002 – 5 U 291/01, juris; Musielak/Voit/Foerste, § 269 Rn 9.
[389] RG, Urt. v. 9.2.1911 – VI 680/09, RGZ 75, 286.
[390] BGH, Urt. v. 20.6.1990 – XII ZR 98/89, BGHZ 111, 382; Thomas/Putzo/Reichold, § 269 Rn 10.
[391] BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – IX ZB 106/11, NJW 2011, 3653; BGH, Urt. v. 12.5.1992 – VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296; BGH, Beschl. v. 24.11.1987 – VI ZB 13/87, NJW 1988, 827; OLG Frankfurt, Urt. v. 16.3.2010 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge