Rz. 135
Dem Kläger ist es grundsätzlich unbenommen, im Laufe des Prozesses von der Leistungsklage zur Feststellungsklage oder umgekehrt überzugehen, wenn die Voraussetzungen jeweils gegeben sind. Wenn der neue Antrag sich auf dasselbe Rechtsverhältnis bezieht, das heißt bei gleichbleibendem Klagegrund nur weitergehende oder geringe Rechtsfolgen aus diesem hergeleitet werden, liegt darin lediglich eine Erweiterung oder Beschränkung des ursprünglichen Klageantrags (§ 264 Nr. 2 ZPO). Die Erweiterung des Klageantrags, das heißt der Übergang von der Feststellungs- auf die Leistungsklage, ist demnach zulässig, ohne dass der Beklagte zustimmen oder das Gericht sie für sachdienlich erachten müsste; dies gilt auch im zweiten Rechtszug.
Rz. 136
Umstritten ist, ob dies auch für die Beschränkung des Klageantrags – also den Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage – gilt, sofern darin eine teilweise Klagerücknahme – und nicht eine Erledigungserklärung oder ein Verzicht – liegt und über den ursprünglichen Anspruch bereits verhandelt worden ist (§ 269 Abs. 1 ZPO). Sofern man eine Einwilligung des Beklagten (§ 269 Abs. 1 ZPO) für erforderlich erachtet, kann diese jedoch auch durch schlüssiges Handeln erfolgen, wofür es ausreicht, wenn sich aus den Gesamtumständen – beispielsweise durch einen Kostenantrag – ergibt, dass die beklagte Partei mit der teilweisen Beschränkung des Klageantrages einverstanden ist. Nicht ausreichend für die Annahme einer konkludenten Einwilligung ist das bloße Schweigen des Beklagten. Im Antrag auf Abweisung der Klage oder Zurückweisung des Rechtsmittels liegt die Verweigerung der Einwilligung.
Rz. 137
Wenn der Übergang erst durch ein Rechtsmittel herbeigeführt wird, bedarf die erforderliche Beschwer (siehe unten § 28 Rdn 12 ff.) besonderer Beachtung: Eine Berufung trotz obsiegenden Urteils allein zum Zwecke der Klageerweiterung ist unzulässig. Folglich kann der Kläger, der mit seinem Feststellungsbegehren obsiegt hat, mangels Beschwer nicht Berufung einlegen, (nur) um auf einen den Streitgegenstand der Feststellungsklage betreffenden Leistungsantrag überzugehen. Wohl aber kann er im Falle einer Berufung des Beklagten, die sein Feststellungsinteresse in Abrede stellt, mit einer fristgerechten Anschlussberufung (§ 524 ZPO, siehe dazu § 28 Rdn 176 ff.) auf einen Leistungsantrag umstellen. Ist der Kläger in erster Instanz mit neben einem Feststellungsbegehren gestellten Leistungsanträgen unterlegen und will er diese Beschwer beseitigen, kann er sein Rechtsmittel gleichzeitig dazu nutzen, seinen in erster Instanz gestellten Feststellungsantrag, mit dem er obsiegt hat, in der Berufungsinstanz zum Zwecke der Erweiterung anhängig zu machen und von der zuerkannten Feststellung zur – gegebenenfalls teilweisen – Leistung übergehen. Ebenso kann ein in der ersten Instanz mit seinem Feststellungsantrag unterlegener Kläger in der Berufungsinstanz auf einen diesbezüglichen Leistungsantrag übergehen.
Zu der mit einer Erweiterung verbundenen Frage einer entgegenstehenden (Teil-)Rechtskraft bei nur teilweiser Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung siehe unten § 28 Rdn 50.