Rz. 26
Obwohl das Rechtsschutzbedürfnis bei Leistungsklagen wegen fälliger Ansprüche in der Regel keiner besonderen Darlegung bedarf, weil es regelmäßig aus der Behauptung der Nichtbefriedigung des geltend gemachten Anspruchs folgt, dessen Bestehen im Rahmen der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses zu unterstellen ist, ist es doch auch eine Prozessvoraussetzung der allgemeinen Leistungsklage. Es kann – ausnahmsweise – fehlen, wenn der Rechtsschutz zumutbar auch ohne gerichtliche Hilfe erreichbar ist oder die Gerichte sonst unnütz in Anspruch genommen werden, wenn der Kläger die Klage ausschließlich erhebt, um rechtlich missbilligte Ziele zu erreichen oder wenn andere Rechtsschutzmittel billiger, schneller, sicherer oder wirkungsvoller alle erforderlichen Rechtsschutzziele herbeiführen. Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Klagebegehren in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die ersichtlich des Rechtsschutzes nicht bedürfen. Auf einen verfahrensmäßig unsicheren und weniger wirkungsvollen Weg muss sich der Kläger aber nicht verweisen lassen.
Rz. 27
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage fehlt und diese ist somit grundsätzlich unzulässig, wenn der Kläger bereits einen vollstreckbaren Titel über die Klageforderung in Händen hat und aus diesem unschwer die Zwangsvollstreckung gegen seinen Schuldner betreiben kann. Jedoch ist dem Gläubiger trotz eines Vollstreckungstitels die Erhebung einer Klage nicht verwehrt, wenn hierfür nach Lage der Dinge ein verständiger Grund angeführt werden kann. Bei vollstreckbaren Titeln, die keine Urteile – Vergleiche, vollstreckbare Urkunden und andere (§ 794 ZPO) – und daher nicht rechtskraftfähig sind, ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage beim Vorliegen eines besonderen Bedürfnisses oder Interesses zu bejahen, so insbesondere wenn mit einer Vollstreckungsgegenklage zu rechnen ist. Selbst ein rechtskräftig festgestellter Anspruch kann erneut eingeklagt werden, wenn der vollstreckbare Titel verlorengegangen oder vernichtet ist und nicht wiederhergestellt werden kann oder dies der einzige Weg ist, um der drohenden Verjährung zu begegnen (siehe auch Rdn 96). Auch ein durch Prozessvergleich begründeter Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung kann mit einer Leistungsklage (§ 894 ZPO) durchgesetzt werden, da ein bloßes vollstreckungsrechtliches Vorgehen (§ 888 ZPO) zeitraubend, kostenträchtig und im Ergebnis unsicher ist.
Rz. 28
Eine Leistungsklage ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ferner unzulässig, wenn der Kläger den Leistungsgegenstand schon vor Klageerhebung erhalten hat, unabhängig davon, ob die Leistung "endgültig" bewirkt worden, also Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) eingetreten ist oder nicht. Auch wenn an den Gläubiger eine Leistung erbracht wird, die – etwa wegen eines Vorbehalts der Rückforderung – keine Erfüllung darstellt, kann dieser kein schutzwürdiges Interesse daran haben, anschließend eine Klage auf Leistung des bereits Empfangenen zu erheben, mit der – dem Zweck einer Leistungsklage widersprechend (siehe oben Rdn 5) – ersichtlich nur noch das Ziel verfolgt wird, die Berechtigung des Gläubigeranspruches festzustellen. Dies gilt auch, wenn die Leistung zwangsweise im Wege einer – beendeten – Verwaltungsvollstreckung erfolgt ist und das Verwaltungsverfahrensgesetz vorschreibt, bei Meidung einer Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen binnen einer bestimmten Frist "Zivilklage" zu erheben. Nimmt der Kläger die Klage zurück, weil der Anlass zu ihrer Einreichung vor Rechtshängigkeit (§§ 253 Abs. 1 ZPO) entfallen ist, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO). Nichts anderes gilt, wenn der Anlass schon vor Einreichung der Klage, das heißt deren Anhängigkeit, weggefallen ist. Eine Kostentragung des Beklagten setzt aber zumindest voraus, dass dem Kläger das erledigende Ereignis bei Einreichung der Klage nicht bekannt sein musste, da der Kläger die Erfolgsaussicht seiner Klage aus eigenem Risiko zu prüfen hat. Das Gericht entscheidet über die Kostentragung auf Antrag durch Beschluss (§ 269 Abs. 4 ZPO).
Rz. 29
Da die Frage, ob ein Prozessvergleich aus sachlich-rechtlichen Gründen nichtig oder anfechtbar ist, sofern davon die Beendigung des Rechtsstreits durch den Vergleich berührt wird, grundsätzlich durch Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits geklärt werden muss, besteht regelmäßig kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage, die auf die Unwirksamkeit des Vergleichs gestützt wird, ebenso wenig für eine (neue) Klage auf Rückforderung der aufgrund eines – behauptet – nichtigen Vergleichs erbrachten Leistungen, wenn diese ausschließlich die durch den Vergleich auf eine neue Grundlage gestellte Klageforderung des Ursprungsverfahrens betreffen.
Rz. 30
Für eine Klage auf Herausgabe einer Prozesssicherheit (§ 108 ZPO) oder Feststellu...