Rz. 67
Die Frage, ob eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung möglich ist, spielt vor allem dann eine Rolle, wenn der betreffende Arbeitnehmer ordentlich unkündbar ist. Meist erlangen Arbeitnehmer eine solche Rechtsposition aufgrund tarifvertraglicher Vorschriften, seltener aufgrund individualarbeitsvertraglicher Regelungen. Der Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit erfasst i.d.R. – wenn nicht ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist – nicht nur Beendigungs-, sondern auch ordentliche Änderungskündigungen. Eine außerordentliche Änderungskündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nur dann gerechtfertigt, wenn das geänderte unternehmerische Konzept die vorgeschlagene Änderung erzwingt. Der Arbeitgeber muss bereits bei Erstellung des unternehmerischen Konzepts die weitreichenden Verpflichtungen, die er in Form von vereinbarten Kündigungsausschlüssen eingegangen ist, berücksichtigen. Er muss insoweit darlegen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Deshalb kann nicht jede mit dem Festhalten am Vertragsinhalt verbundene Last einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung bilden. So kann z.B. bei der örtlichen Verlagerung eines Betriebes die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes für den ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer mit dem unternehmerischen Konzept des Arbeitgebers vereinbar sein und als Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Betracht kommen.
Der Arbeitgeber hat bei einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung nicht nur von sich aus darzulegen, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist, sondern darüber hinaus, dass es keine zumutbaren, sich weniger weit als das unterbreitete Änderungsangebot vom bisherigen Vertragsinhalt entfernenden Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben habe. Er hat jedoch für die Darlegung eines wichtigen Grundes primär nur darauf einzugehen, weshalb naheliegende oder vorprozessual bzw. bereits im Rechtsstreit thematisierte Alternativbeschäftigungen nicht in Betracht kamen. So wie die Auferlegung der Beweislast für eine negative Tatsache nur in engen Grenzen zulässig ist, darf die primäre Darlegungslast für eine negative Tatsache – hier: das Fehlen einer anderen zumutbaren verhältnismäßigeren Beschäftigungsmöglichkeit – nicht über das hinausgehen, was für den Ausschluss naheliegender Anhaltspunkte für ein Vorliegen der korrespondierenden positiven Tatsache – hier: es bestehe eine andere zumutbare verhältnismäßigere Beschäftigung – erforderlich ist. Es ist aber nicht von sich aus naheliegend, dass besetzte Arbeitsplätze in absehbarer Zeit frei werden.
Rz. 68
Auch eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung (siehe oben Rdn 61) kann als außerordentliche – mit notwendiger sozialer Auslauffrist – gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer wirksam sein. Ein wichtiger Grund für eine solche Kündigung kann jedenfalls dann vorliegen, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen notwendig ist, um der konkreten Gefahr einer Betriebsschließung wegen Insolvenz zu begegnen. Der Arbeitgeber muss allerdings insoweit darlegen, dass die Sanierung mit den Eingriffen in die Arbeitsverträge steht und fällt und alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausgeschöpft sind.
Rz. 69
Bei tariflich ordentlich unkündbaren Angestellten bzw. Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes (vormals: § 53 Abs. 3 BAT; jetzt: § 34 Abs. 2 TVöD bzw. § 34 Abs. 2 TV-L) muss der Arbeitgeber vor einer außerordentlichen Änderungskündigung prüfen, ob der Arbeitnehmer durch Versetzung auf einen freien und gleichwertigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Dabei muss er auch absehbare Überbrückungszeiträume in Kauf nehmen und Reorganisationsmöglichkeiten einbeziehen (Umsetzungen, Änderung der Arbeitsverteilung). Eine generelle Pflicht zur Freikündigung der Arbeitsplätze anderer Arbeitnehmer, die Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen, hat das Bundesarbeitsgericht nicht bejaht. Es hat weiter ausgeführt, eine Freikündigungspflicht bestehe auf jeden Fall dann nicht, wenn der unkündbare Arbeitnehmer den ggf. freizukündigenden Arbeitsplatz nicht innerhalb der für einen qualifizierten Stellenbewerber ausreichenden Einarbeitungszeit ausfüllen könne.
§ 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT sah im Falle ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer zwar die Möglichkeit einer Änderungskündigung aus wichtigem Grund, insbesondere aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse, vor, beschränkte diese jedoch auf eine Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe. § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD ordnet hingegen nur an, dass Beschäftigungsverhältnisse ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Die Beschränkung einer Änderungskündigung auf die Herabgruppierung um maximal eine Gehaltsgruppe...