Rz. 53
Die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung hat im Gegensatz zur Beendigungskündigung zwei Voraussetzungen: Zum einen müssen der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen Gründe i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG entgegenstehen, also personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe. Das entspricht im Wesentlichen dem Maßstab der Beendigungskündigung mit dem Unterschied, dass eben nicht der Wegfall des Arbeitsplatzes durch eines der genannten Erfordernisse bedingt sein muss, sondern lediglich die fehlende Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im bisherigen Zustand. Es ist also zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer entfallen ist. Weiter müssen aber auch, was in einer zweiten Stufe zu prüfen ist, die angebotenen geänderten Bedingungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Nichts anderes ist mit der vom BAG teilweise auch verwendeten Formulierung gemeint, die Änderungskündigung sei dann sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt habe, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.
Rz. 54
Es besteht Einigkeit darüber, dass die Formulierung des "billigerweise Hinnehmen-Müssens" nicht eine allgemeine Billigkeitsprüfung ins Spiel bringen soll, sondern vielmehr auch darauf angelegt ist zu prüfen, ob die geänderten Arbeitsbedingungen dem Arbeitnehmer zumutbar sind und gleichzeitig die mildeste Möglichkeit des Eingriffs darstellen, ob also nicht auch eine Änderung möglich gewesen wäre, die den Arbeitnehmer weniger beeinträchtigt. Letzteres leitet sich daraus her, dass auch die Änderungskündigung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt, der das gesamte Kündigungsschutzrecht beherrscht. So ist z.B. die Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, die nicht mit einer derart weitgehenden Änderung verbunden ist wie das tatsächlich unterbreitete Änderungsangebot, weniger einschneidend; ist eine solche möglich, ist die tatsächlich ausgesprochene Änderung unverhältnismäßig, die Änderungskündigung ist damit sozial ungerechtfertigt. Wenn durch das Änderungsangebot neben der Tätigkeit (Arbeitsleistungspflicht) auch die Gegenleistung (Vergütung) geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Das BAG geht davon aus, dass im Arbeitsverhältnis der Höhe der Vergütung pro Zeiteinheit und damit der Wertigkeit der Tätigkeit eine besondere Bedeutung zukommt. Ein Änderungsangebot, das bei unveränderter Art der Tätigkeit eine bloße Reduzierung des Beschäftigungsumfangs beinhalte, stelle deshalb grundsätzlich den weniger weit reichenden Eingriff in das vertragliche Austauschverhältnis dar als ein Angebot einer geringerwertigen Tätigkeit mit unverändertem Stundenumfang. Daran ändere sich im Grundsatz nichts, wenn der Arbeitnehmer auf der Teilzeitstelle mit höherwertiger Tätigkeit insgesamt eine geringere Vergütung erziele als auf der Vollzeitstelle mit geringerwertiger Tätigkeit. Zwar verschlechtere sich dadurch sein Gesamtvergütungsanspruch. Der höhere Gesamtverdienst auf der geringer bewerteten Vollzeitstelle wiege aber den objektiven Vorteil der Beschäftigung mit einer höherwertigen Tätigkeit auf einer Teilzeitstelle in der Regel nicht auf.
Zum Umgang mit verschiedenen Änderungsmöglichkeiten gibt das BAG dem Arbeitgeber nunmehr folgende Hilfestellung: Sofern im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein sollte, welches von mehreren möglichen Änderungsangeboten sich weniger weit vom bisherigen Vertragsinhalt entfernt, stehe es dem Arbeitgeber frei, dem Arbeitnehmer die in Betracht kommenden Änderungen alternativ anzubieten. Der Arbeitnehmer habe dann die Wahl, eines der Angebote vorbehaltlos oder unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG anzunehmen oder sämtliche Änderungsangebote abzulehnen. Auf eine abgelehnte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vermöchte er sich im Rechtsstreit nicht mehr widerspruchsfrei als eine den bisherigen Vertragsbedingungen näher kommende Alternative zu berufen.
Zu dieser Fallgruppe einer unverhältnismäßigen Änderungskündigung gehört auch die oben bereits erörterte Konstellation (siehe Rdn 8 ff.), in welcher der Arbeitgeber die durch die Änderungskündigung bezweckte Modifikation auf dem Wege der Ausübung des Direktionsrechts bzw. eines Widerrufsvorbehaltes hätte erreichen können und der Arbeitnehmer Klage nach § 4 S. 1 KSchG erhebt.
Rz. 55
Wird gegenüber mehreren Arbeitnehmern eine Änderungskündigung ausgesprochen, so kann ein Änderungsangebot auch dann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen, wenn es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Es muss vom Arbeitnehmer nicht billigerweise hingenommen werden und führt zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung nach § 2 S. 1 KSchG i.V.m. § 1 Ab...