Rz. 2
Erbstatut:
Für Erbfälle ab dem 17.8.2015 findet die Europäische Erbrechtsverordnung uneingeschränkt Anwendung sowohl in Bezug auf Mitgliedsstaaten als auch in Bezug zu Drittstaaten. Staatsvertragliche Regelungen sind vorrangig zu beachten. Danach wird das Erbstatut gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO bestimmt, also anhand des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers, zum Zeitpunkt seines Todes. Es gilt der Grundsatz der Nachlasseinheit. Für Erbfälle vor dem 17.8.2015 folgte das belgische Erbrecht dem Grundsatz der Nachlassspaltung (dualité de régimes). Für die Erbfolge in unbewegliches Vermögen war das Recht des Belegenheitsortes entscheidend, wohingegen für die Erbfolge in bewegliches Vermögen das Recht am gewöhnlichen Wohnsitz des Erblassers maßgeblich ist. Gemäß Art. 79 IPRG war eine Rechtswahl zulässig, wenn sie in Form einer letztwilligen Verfügung erfolgt, der gesamte Nachlass erfasst wird sowie das Recht des Staates gewählt wird, dem der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes angehört oder in dem zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nicht beeinträchtigt werden dürfen durch die Rechtswahl Noterbenrechte, was bedeutet, dass sich die Rechtswahl nur auf die freie Quote beziehen darf.
Rz. 3
Güterrecht:
In Belgien existiert der gesetzliche Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft mit Gesamthandsvermutung. Unterschieden wird zwischen dem Eigenvermögen der Ehegatten und dem gemeinschaftlichen Vermögen beider Ehegatten. Beim Tod eines Ehegatten wird das Gesamtgut mit den Erben nach den Grundsätzen über die Beendigung des gesetzlichen Güterstands zu Lebzeiten beider Ehegatten aufgeteilt, es sei denn, es wurde ehevertraglich vereinbart, dass der überlebende Ehegatte das Gesamtgut vollständig übernimmt.
Rz. 4
Gesetzliche Erbfolge:
Gesetzliche Erben der ersten Klasse sind die leiblichen Abkömmlinge des Erblassers. Erben zweiter Klasse sind die Eltern und Geschwister des Erblassers. Erben dritter Klasse sind die Verwandten in aufsteigender Linie; Erben vierter Klasse die Seitenlinie bis zum vierten Grad. Erben einer Klasse schließen Erben der anderen Klassen aus. Der Ehegatte ist, beim Zusammentreffen mit leiblichen Kindern, mit einem Nießbrauchsrecht am gesamten Nachlass ausgestattet. Neben Erben zweiter bis vierter Klasse erbt der Ehegatte den Anteil am Gesamtgut. Existieren keine Erben aus einer der vier Klassen, so erbt der Ehegatte allein. Mehrere Erben bilden eine Erbengemeinschaft in Form einer Gütergemeinschaft.
Rz. 5
Testamentsformen:
Belgien hat das Haager Testamentsformübereinkommen ratifiziert. Als Testamentsformen kennt das belgische Erbrecht das vom Erblasser eigenhändig errichtete Testament sowie das vom Notar errichtete Testament. Gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge sind verboten und unwirksam. Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft ist gemäß Art. 896 belg. ZGB verboten, wenn damit die Verpflichtung zur Erhaltung der Nachlassmasse für den Nacherben einhergeht. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ist in Form einer Überwachungs- oder Ausführungsvollstreckung zulässig. Eine Verfügung von Todes wegen kann durch die Errichtung einer neuen letztwilligen Verfügung widerrufen werden, ferner durch Widderruf in einer notariellen Verfügung als auch durch lebzeitige Verfügung über einen vermachten Gegenstand im Falle der Anordnung eines Erbstückvermächtnisses (legs particulier).
Rz. 6
Annahme- und Ausschlagung der Erbschaft:
Die Annahme der Erbschaft kann ausdrücklich oder auch stillschweigend erfolgen. Stillschweigend erfolgt die Annahme in aller Regel, wenn der Erbprätendent eine Handlung vornimmt, die seine Absicht die Erbschaft anzunehmen voraussetzt (Inbesitznahme des Nachlasses). Das Recht zur Annahme verjährt nach 30 Jahren. Die Ausschlagung hingegen muss ausdrücklich erfolgen. Auf die Erbschaft einer noch lebenden Person kann nicht verzichtet werden. Das belgische Recht kennt, wie viele andere romanische Rechtskreise, auch das Recht der haftungsbeschränkten Annahme der Erbschaft. Diese Form der Annahme nennt man die Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung gemäß Art. 793 ff. belg. ZGB.
Rz. 7
Pflichtteilsrecht (Noterbenrecht):
Das belgische Pflichtteilsrecht ist als echtes Noterbenrecht ausgestaltet. Es begrenzt die Befugnis des Erblassers, im Rahmen einer letztwilligen Verfügung über den gesamten Nachlass zu verfügen. Die Höhe des Noterbenrechts hängt von der Anzahl der Abkömmlinge ab. Hinterlässt der Erbe beispielsweise einen Abkömmling, so beträgt die Quote ½; bei zwei Kindern 2/3; bei drei und mehr Kindern ¾ des Gesamtnachlasses. Der Ehegatte hat ein Noterbenrecht in Form eines Nießbrauchsrechts am halben Nachlass. Wird ein Noterbenberechtigter übergangen oder nur unterhalb seiner Quote eingesetzt, so kann er die Herabsetzung der Zuwendungen (réduction) verlangen.
Rz. 8
Erbschaftsteuer:
Ist der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes nicht Einwohner des Königreiches Belgie...