Rz. 159

Hinterlässt ein Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland Immobilien in England, so gilt hierfür aus englischer Sicht englisches Erbrecht. Es tritt daher Nachlassspaltung ein. Nach Art. 30 EuErbVO wird diese Anknüpfung des englischen IPR – anders als früher unter Art. 3a Abs. 2 EGBGB – nicht mehr beachtet. Hatte der Erblasser sein domicile in England, gilt aus englischer Sicht für seinen beweglichen Nachlass englisches Recht (Nachlasseinheit).

Zu beachten ist, dass die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in England nicht unbedingt die Begründung eines domicile of choice mit sich bringt (vgl. oben Rdn 7 zum Fall des Lehrers am Goethe Institut). Fällt beides auseinander, so kann es zu einer Rück- bzw. Weiterverweisung kommen bzw. zu einem internationalen Entscheidungsdissens.

 

Rz. 160

Die Sonderanknüpfung des Statuts der Nachlassabwicklung hat zur Folge, dass unabhängig davon, wo der Erblasser sein domicile hatte, die Nachlassabwicklung in Bezug auf in England belegenes Vermögen aus Sicht der englischen Gerichte stets englischem Recht unterliegt. Daher tritt auch bezüglich des in England belegenen beweglichen Vermögens kein Erwerb durch "Erben" im Wege der "Gesamtrechtsnachfolge" ein, sondern es ist zwingend durch ein englisches Gericht ein Probate-Verfahren durchzuführen, ein personal representative einzusetzen und der Nachlass nach den Regeln des englischen Nachlassrechts abzuwickeln, bevor die Beteiligten den Nachlass in Besitz nehmen können. Hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, kommt es aus deutscher Sicht aber zu einem ipso iure-Erwerb des Nachlasses durch die Erben. Folge ist, dass in England und in Deutschland die Ansichten über den Eigentumserwerb divergieren (internationaler Entscheidungsdissens). Diese unterschiedlichen Sichtweisen sind bei der Nachlassgestaltung zu berücksichtigen und miteinander in Einklang zu bringen. Dies macht die besondere Kunst der Nachlassgestaltung aus.

 

Rz. 161

 

Hinweis

Soweit eine Verfügung in England belegenes Vermögen betrifft, sollte daher nach Möglichkeit testamentarisch verfügt werden und ein Testamentsvollstrecker (executor) mit genauer Zuweisung der Aufgaben benannt werden. Dessen Zuständigkeitsbereich kann auf das in England belegene (unbewegliche und das bewegliche) Vermögen beschränkt werden. Es ist möglich, auch eine testamentarisch begünstigte Person zum executor zu benennen. Ihr fällt dann der Nachlass unmittelbar zu, was die Abwicklung erleichtert. Zu empfehlen ist die Benennung von Ersatzvollstreckern für den Fall, dass der an erster Stelle benannte executor das Amt nicht annehmen kann oder will. Vielfach wird empfohlen, in England eine gesonderte Verfügung in den Formen und mit dem üblichen Inhalt nach englischem Recht zu errichten, mit der über das in England belegene Vermögen vermächtnisweise verfügt wird.[84]

 

Rz. 162

Muster 26.31: Benennung eines executor für das in England belegene Vermögen

 

Muster 26.31: Benennung eines executor für das in England belegene Vermögen

Für mein gesamtes in England belegenes Vermögen, bewegliches wie unbewegliches, ernenne ich Herrn _________________________, wohnhaft in _________________________ und Frau _________________________, wohnhaft in _________________________ zu gemeinschaftlichen (joint) executors meines Testaments und zu trustees meines Nachlasses. Ihnen kommt – soweit deutsches Erbrecht anwendbar sein sollte – die Stellung von Testamentsvollstreckern zu. Sollte keiner von ihnen in der Lage oder willens sein, das Amt anzunehmen und durchzuführen, so ernenne ich ersatzweise Frau _________________________, wohnhaft in _________________________.

Die executors sollen einzeln handeln können und haben alle Befugnisse, die ihnen nach dem englischen Recht zugewiesen werden können. Sie werden hiermit angewiesen, den ihrer Verwaltung unterstehenden Nachlass nach Abwicklung und Zahlung aller Steuern in England zu gleichen Teilen unmittelbar den vorgenannten als Erben bezeichneten Personen [alternativ: den in meinem Testament vom _________________________ genannten Erben] auszuhändigen.

[84] Huth/Zwicker, ZVglRWiss 86 (1997) 338 ff.; Odersky, Abwicklung S. 200 f. zu den Vor- und Nachteilen dieses Verfahrens. Siehe oben Rdn 115.

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