Rz. 400
Ähnlich wie in England kennt man auch in den USA nicht den unmittelbaren Übergang des Nachlasses samt Aktiva und Passiva auf den Erblasser, sondern sieht das Dazwischentreten eines sog. personal representative vor, der zunächst den Nachlass abwickelt, bevor er das verbliebene Netto-Vermögen entsprechend den Vorgaben des Testaments auf die entsprechend begünstigten Personen verteilt (vgl. ausführlicher oben, England, Rdn 158).
Rz. 401
Die Verwaltung des Nachlasses (administration) wird kollisionsrechtlich vom Erbstatut getrennt und einem besonderen Statut unterstellt (funktionelle Nachlassspaltung): Für die administration gilt nicht das Erbstatut, sondern die lex fori des Staates, der den personal representative ernennt. In der Praxis führt das dazu, dass bei Belegenheit von Nachlass in den USA in jedem US-Staat, in dem Nachlass belegen ist, ein eigenes Nachlassverfahren durchgeführt werden muss. Etwas anderes ergibt sich allein dann, wenn der Wert des im jeweiligen US-Staat belegenen Nachlasses unter eine vom jeweiligen Ortsrecht gezogene Bagatellgrenze (in einzelnen Staaten bis zu 100.000 $) fällt.
Rz. 402
Dabei wird der Bereich der administration weit interpretiert. Insbesondere ist die zwingende Einschaltung des Zwischenberechtigten (personal representative) anstelle des unmittelbaren Erwerbs durch die "Erben" Teil Bereich der administration. Diese funktionelle Nachlassspaltung stellte ein vorrangiges Einzelstatut i.S.v. Art. 3a Abs. 2 EGBGB dar, so dass die Geltung des US-Rechts für die Abwicklung des in den USA belegenen beweglichen Nachlass auch aus deutscher Sicht zu berücksichtigen war. Unter der Erbrechtsverordnung freilich ergibt sich eine entsprechende Sonderregelung nicht mehr, so dass hier dann aus europäischer Perspektive ein internationaler Entscheidungsdissens eintreten würde.
Statut der Nachlassabwicklung bei Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland |
Nachlass in Deutschland |
Nachlass in den USA |
unbeweglich (deutsches Recht) |
beweglich (deutsches-Recht) |
beweglich (US-Sicht: US-Recht) (Deutsche Sicht: deutsches Recht) |
unbeweglich (US-Sicht: US-Recht) (Deutsche Sicht: deutsches Recht) |
Rz. 403
Das führt dazu, dass selbst dann, wenn sich die Erbfolge in den USA belegenen beweglichen Vermögens eines deutschen Erblassers aufgrund letztem domicile in Deutschland nach deutschem Recht richtet, keine Universalsukzession nach BGB auf die Erben stattfindet, sondern die Nachlassverwaltung durch einen vom Probate Court zu bestätigenden Zwischenberechtigten nach dem Recht des jeweiligen US-Staates durchzuführen ist.
Statut der Nachlassabwicklung bei Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in den USA |
Nachlass in Deutschland |
Nachlass in den USA |
unbeweglich (deutsches Recht) |
beweglich (US-Recht) |
beweglich (US-Recht) |
unbeweglich (US-Recht) |
Rz. 404
Hinweis
Das probate-Verfahren kann zeitaufwendig und kostenintensiv werden. Es erfordert regelmäßig die Einschaltung US-amerikanischer Rechtsanwälte, mit denen die Kommunikation u.U. kompliziert ist und die von Deutschland aus schlecht kontrolliert werden können. Der US-Nachlass kann u.U. längere Zeit brach liegen. Diese Probleme können sich noch vervielfältigen, wenn der Nachlass sich über mehrere US-Staaten verteilt. Daher sollte der in den USA belegene Nachlass eines in Deutschland lebenden Erblassers nach Möglichkeit so strukturiert werden, dass ein Nachlassverfahren vermieden wird (vgl. zu den Methoden unten Rdn 437).