Rz. 22

In einigen Fällen bedarf die Kündigung der Zustimmung einer behördlichen Stelle, so nach §§ 85 ff. SGB IX des Integrationsamtsamts bei Kündigung eines Schwerbehinderten, oder der Zulässigkeitserklärung, so nach § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG bei Kündigung während der Elternzeit oder nach § 9 Abs. 3 S. 1 MuSchG bei Kündigungen während der Schwangerschaft.

 

Rz. 23

Wird der Anwalt vom Auftraggeber in diesen Fällen sowohl mit dessen Vertretung vor der Behörde als auch dem Ausspruch der Kündigung bzw. deren Abwehr beauftragt, so liegen zwei verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG vor. Bei der einen (Zustimmungs- oder Zulässigkeitsverfahren) handelt es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit (siehe daher wegen weiterer Einzelheiten auch die Darstellung zur Vertretung in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten § 30), bei der anderen (Kündigung bzw. deren Abwehr) um eine arbeitsrechtliche Angelegenheit. Der Anwalt erhält daher im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung zwei Geschäftsgebühren.

 

Rz. 24

Im Verfahren vor der Behörde kann der Anwalt die Geschäftsgebühr zudem zweimal verdienen, nämlich zum einen im Verwaltungsverfahren und zum anderen im Widerspruchsverfahren. Beide Verfahren stellen zwei verschiedene Angelegenheiten dar (§ 17 Nr. 1a RVG).

 

Rz. 25

Sowohl für das Verwaltungsverfahren als auch das Widerspruchsverfahren erhält der Anwalt die Geschäftsgebühr aus dem Rahmen der Nr. 2300 VV. Sofern der Anwalt allerdings bereits im Verwaltungsverfahren tätig war, ist die dort verdiente Geschäftsgebühr nach Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV hälftig anzurechnen, höchstens zu 0,75 (siehe dazu ausführlich § 29 Rdn 13 ff.). Kommt es dann noch zu einem Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht, ist die Gebühr nach Nrn. 2300 VV wiederum zur Hälfte, höchstens zu 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV), bei mehreren Gebühren ist die zuletzt entstandene Gebühr für die Anrechnung maßgebend (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV) (siehe hierzu ausführlich § 29 Rdn 99 ff.).

 

Rz. 26

Der Gegenstandswert im Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt nach §§ 85 ff. SGB IX bemisst sich gem. Nr. 39 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit[9] nach dem Auffangwert und beläuft sich gem. § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR.[10] Es ist nicht auf den Quartalswert des § 42 Abs. 2 GKG abzustellen.[11] Gleiches gilt für die Zulässigkeitserklärungen nach § 9 Abs. 3 MuSchG (Nr. 27.1 des Streitwertkatalogs)[12] und nach § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG (Nr. 27.2 des Streitwertkatalogs).

 

Beispiel 7: Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt und Kündigung

Der Arbeitgeber des schwerbehinderten Mandanten möchte diesem kündigen und beantragt vor dem Integrationsamt die Zustimmung hierzu. Der Mandant beauftragt seinen Anwalt, ihn in diesem Verfahren zu vertreten. Die Zustimmung wird erteilt. Anschließend erhält der Mandant die Kündigung (Monatseinkommen: 2.000,00 EUR). Hiergegen wendet sich der Anwalt auftragsgemäß zunächst außergerichtlich.

Es entstehen zwei Geschäftsgebühren. Vor dem Integrationsamt gilt der Regelwert von 5.000,00 EUR und für die Kündigung das Quartalseinkommen (3 x 2.000 EUR =) 6.000,00 EUR. Ausgehend von den Mittelgebühren ist wie folgt zu rechnen:

 
I. Verfahren vor dem Integrationsamt
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   501,00 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 521,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   98,99 EUR
Gesamt   619,99 EUR
II. Außergerichtliche Vertretung hinsichtlich der Kündigung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   585,00 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 605,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   114,95 EUR
Gesamt   719,95 EUR
 

Rz. 27

 

Beispiel 8: Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt mit Widerspruchsverfahren und Kündigung mit Kündigungsschutzprozess

Der Arbeitgeber des schwerbehinderten Mandanten möchte diesem kündigen und beantragt vor dem Integrationsamt die Zustimmung hierzu. Der Mandant beauftragt seinen Anwalt, ihn in diesem Verfahren zu vertreten. Die Zustimmung wird schließlich im Widerspruchsverfahren erteilt. Anschließend erhält der Mandant die Kündigung. Hiergegen wendet sich der Anwalt auftragsgemäß zunächst außergerichtlich (Auffangwert: 5.000,00 EUR) und erhebt anschließend Kündigungsschutzklage (Wert: 6.000,00 EUR), über die sich die Parteien dann im Gütetermin einigen.

 
I. Verfahren vor dem Integrationsamt
a) Außergerichtliche Vertretung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   501,00 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 521,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   98,99 EUR
Gesamt   619,99 EUR
b) Widerspruchsverfahren
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nrn. 2300 VV   501,00 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 250,50 EUR
  0,75 aus 5.000,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 270,50 EUR  
4. 19 %...

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