Rz. 137
Während der Freistellungszeit ist eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ausgeschlossen. Dies gilt auch für die in einer Aufhebungsvereinbarung vereinbarte Freistellung bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses. Der Verdacht einer schwerwiegenden strafbaren Handlung ist grds. Auch dann geeignet, dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer einer längeren Frist (vorliegend rd. Fünf Monate) unzumutbar zu machen, wenn der Arbeitnehmer bereits von der Arbeitspflicht freigestellt ist. Die unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers ist allerdings bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen (vgl. BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 217/00, NZA 2001, 837 = DB 2001, 1941). Löst die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem vorgesehenen Auflösungszeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag – einschließlich einer darin vorgesehenen Abfindung – gegenstandslos (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 8.2.2018 – 5 Sa 324/17, juris Rn 198; BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 217/00, NZA 2001, 837 = DB 2001, 1941; BAG v. 29.1.1997, NZA 1997, 813 = DB 1997, 1411).
Rz. 138
Praxistipp
1. |
Ein Aufhebungsvertrag steht regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird. |
2. |
Löst später eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem vorgesehenen Auflösungszeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag gegenstandslos. |
3. |
Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, juris Rn 21 m.w.N.; LAG Rheinland-Pfalz v. 8.2.2018 – 5 Sa 324/17, juris Rn 199). |
Rz. 139
Bedeutsam für die Praxis im Fall einer außerordentlichen Kündigung ist ein Urteil des BAG (vgl. BAG v. 25.8. 2020 – 9 AZR 612/19, juris Ls. 1), worin entschieden wurde, dass der Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung dem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren kann, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Das BAG bestätigte seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine vorsorgliche Urlaubsgewährung bei fristloser Kündigung grds. Zulässig ist. Der Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, er habe während des Urlaubs Termine bei der Agentur für Arbeit wahrnehmen oder sich um eine neue Arbeitsstelle kümmern müssen, wodurch er sich nicht habe vollständig erholen können. Das falle in den Risikobereich des Arbeitnehmers. Allerdings muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer endgültig und unmissverständlich von seiner Arbeitspflicht befreien. Ferner muss der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt entweder vor Urlaubsantritt auszahlen oder bei dessen Zahlung vorbehaltlos zusichern.
Rz. 140
Praxistipp
1. |
Im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. |
2. |
Dazu muss er den Arbeitnehmer unmissverständlich und endgültig zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht befreien und das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs zahlen oder dessen Zahlung vorbehaltlos zusagen. |
3. |
Ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ungewiss, weil der Arbeitnehmer gegen die fristlose Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat, steht dies der Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen (vgl. BAG v. 25.8.2020 – 9 AZR 612/19, juris Ls. 2). |