Rz. 95
Die Beendigung des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses durch eine Aufhebungsvereinbarung ist nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit stets ein sperrzeitrelevanter Lösungssachverhalt (vgl. zur Zusage einer Ausgleichzahlung für Sperrzeit durch den Arbeitgeber, ArbG Düsseldorf v. 26.10.2018 – 14 Ca 3722/18, juris, mit Anm. Bartelmeß, ArbR 2019, 155). Entscheidend für die Sperrzeitrelevanz sei, dass ein Aufhebungsvertrag nicht gegen den Willen des Arbeitslosen zustande kommen könne (vgl. FW 159.1.1.1 Abs. 3 Unterpunkt 3 der BA zu § 159 SGB III = Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 159 SGB III, Stand 8/2022). Keine Sperrzeit wird jedoch verhängt, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages hatte (vgl. FW 159.1.2.1.1 der BA zu § 159 SGB III = Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 159 SGB III, Stand 8/2022).
Rz. 96
Die Angabe des (zutreffenden) Grundes für die Beendigung des Anstellungsverhältnisses in der Aufhebungsvereinbarung ist daher von entscheidender Bedeutung (nicht nur für die steuerliche Begünstigung einer etwaigen Abfindung; vgl. zur steuerlichen Situation unten Rdn 212), sondern vor allem für die Vermeidung einer Sperrfrist bei dem Bezug von Arbeitslosengeld (vgl. zur Gesamtnichtigkeit im Fall der Erstellung zweier Aufhebungsvereinbarungen mit der Angabe unterschiedlicher Gründe zum Zweck des unberechtigten Bezuges von Alg, LAG Hamm v. 27.11.1997 – 8 Sa 1263/97, BB 1998, 541[Ls.]; vgl. aber auch LAG Nds. v. 23.11.2004, NZA-RR 2005, 415, keine Nichtigkeit bei zunächst verhaltensbedingter Kündigung und dann Vergleich mit betriebsbedingten Gründen). Gleichwohl besteht keine Bindungswirkung der Arbeitsagentur an die rechtliche Würdigung “betriebsbedingte Kündigung‘ durch den Arbeitgeber oder durch das Arbeitsgericht (vgl. BSG v. 27.4.2011 – B 11 AL 11/11 B; vgl. zur Angabe des zutreffenden Beendigungsgrundes in der vom Arbeitgeber zu erstellenden Arbeitsbescheinigung unten Rdn 382 f.; vgl. zur Angabe des zutreffenden Beendigungsgrundes im Zeugnis unten Rdn 319 f.).
Rz. 97
Hinweis
Mit Blick auf etwaige Betriebsprüfungen ist zu berücksichtigen, dass sich Prüfer vielfach vier Unterlagen vorlegen lassen:
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Anstellungsvertrag |
▪ |
Aufhebungsvereinbarung |
▪ |
Zeugnis |
▪ |
Arbeitgeber – Fragebogen zur Arbeitslosmeldung (Arbeitsbescheinigung) |
Ziel ist es, etwaige Widersprüche beim Trennungsgrund (vgl. auch unten Rdn 319 f. und Rdn 382 f.) oder Widersprüche bei der Trennungsfrist zu finden (vgl. auch oben Rdn 91).
Rz. 98
Zur Vermeidung einer grundsätzlichen Sperrfrist (= Kürzung von Arbeitslosengeld) von 12 Wochen gem. § 159 Abs. 3 i.V.m. § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III (zzgl. Minderung gem. § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) im Fall einer Aufhebungsvereinbarung ist daher stets zu prüfen, ob für den Arbeitnehmer ein wichtiger Grund für die Lösung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen hat (vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 23.6.2021-L 18 AL 3/07 Krankheit oder Mobbing als wichtiger Grund; LSG Berlin-Brandenburg v. 6.5.2020 – L 18 AL 55/19 Eigenkündigung ohne konkrete Aussichten auf Anschlussarbeitsplatz kein wichtiger Grund; LSG Berlin-Brandenburg v. 25.4.2018 – L 18 AL 82/16 versicherungswidriges Verhalten ohne wichtigen Grund; BSG v. 12.9.2019 – B 11 AL 19/18 R wichtiger Grund wegen Altersteilzeitvereinbarung; BSG v. 17.10.2007 – B 11a AL 51/06 R, DB 2008, 1048; BSG v. 12.7.2006, NZA 2006, 1359 = DB 2006, 2521; BSG v. 17.11.2005, NZA 2006, 422 Leitender Angestellter).
Rz. 99
Die regionalen Arbeitsagenturen prüfen dies – insbesondere das Vorliegen des wichtigen Grundes – auf Basis der FW der BA (vgl. die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 159 SGB III, Stand 8/2022). In der Praxis kommt dieser Verwaltungsvorschrift eminente Bedeutung zu. Dies gilt auch, wenn nach Ausspruch einer Kündigung ein Abwicklungsvertrag oder arbeitsgerichtlicher Vergleich geschlossen wird (vgl. nachfolgend Auszüge aus der FW):
Rz. 100
Zitat
FW 159.1.2.1.1 der BA zu § 159 SGB III (= Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 159 SGB III, Stand 8/2022)
– Auszug zum Aufhebungsvertrag –
Wichtiger Grund bei Eigenlösung des Beschäftigungsverhältnisses und gleichzeitig drohender Arbeitgeberkündigung – (Hervorhebungen des Verfassers)
(1) Hat der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis beendet, weil ihm andernfalls eine arbeitgeberseitige Kündigung drohte, liegt allein darin kein wichtiger Grund. (Anm.: Vgl. die Beispiele für das Vorliegen eines wichtigen Grundes in § 31 Rdn 52).
(2) Ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder für eine Eigenkündigung liegt vor, wenn
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eine Kündigung durch den Arbeitgeber mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden ist, |
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die drohende Arbeitgeberkündigung auf betriebliche oder (neu seit 12/2016) personenbezogene (nicht aber verhaltensbedingte) Gründe gestützt würde, |
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die Arbeitgeberkündigung zu demselben Zeitpunkt, zu dem das Beschäftigungsverhältnis geendet hat, oder früher wirksam geworden wäre, bei... |