Rz. 196

Sprinterklauseln kommen in der Praxis vielfach vor (vgl. zu den Vorteilen und Risiken von Sprinterklauseln Aszmons, DB 2017, 2227). Sie verfolgen den Zweck, insb. freigestellten Arbeitnehmern ein vorzeitiges Ausscheiden zu ermöglichen, wenn eine Anschlussbeschäftigung gefunden wird (vgl. LAG Hamm v.13.5.2020 – 6 Sa 1940/19, juris Rn 66). Sprinterklauseln räumen dem Arbeitnehmer das Recht ein, das Arbeitsverhältnis durch einseitige Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber schon vor dem in dem gerichtlichen Vergleich, Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag festgelegten rechtlichen Ende zu beenden (Sonderlösungsrecht zur Verkürzung der vereinbarten Beendigungsfrist, vgl. BAG v. 10.2.2009 – 1 AZR 809/07 Sprinterprämie). Dadurch entfallen die für diesen Zeitraum ansonsten zu zahlenden Gehälter, die dann ganz oder zum Teil der Abfindung zugeschlagen werden. Davon können beide Seiten partizipieren. Der Arbeitgeber spart zumindest die Sozialversicherungsbeiträge, da Abfindungen im Gegensatz zu Gehaltszahlungen nicht sozialversicherungspflichtig sind (vgl. LAG Hamm v. 13.5.2020 – 6 Sa 1940/19, juris Rn 66 m.w.N.; s. unten Rdn 238). Ob es sich bei Sprinterprämien (auch) um steuerlich begünstigte Entschädigungen handelt, hat der BFH bisher offengelassen. Im Entscheidungsfall ging der BFH von einer einheitlichen Entschädigungsleistung als Ersatz für dasselbe Schadensereignis, den Verlust des Arbeitsplatzes, aus. Da die Entschädigungsleistungen in zwei Veranlagungszeiträumen ausbezahlt wurden, liege keine Zusammenballung von Einkünften – d.h. keine ermäßigt zu besteuernde Entschädigung – vor (vgl. BFH v. 6.12.2021 IX R 10/21, juris Rn 22/23; vgl. auch Vorbeck, DStR 2022, 463, 467; zu Recht für eine ermäßigte Besteuerung der Sprinterprämie FG Hessen v. 31.5.2021 – 10 K 1597/20; a.A. FG Niedersachsen v. 8.2.2018 – 1 K 279/17).

Für den Arbeitnehmer ist die Möglichkeit der durch die Sprinterklausel eingeräumten Option ein besonderer Anreiz, schnell eine neue Beschäftigung einzugehen, und ggf. "doppelte" Bezüge durch die erhöhte Abfindung vom alten Arbeitgeber plus das Gehalt vom neuen Arbeitgeber zu erhalten. Besteht ein Anschlussarbeitsverhältnis, kommt es zudem nicht zu dem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gem. § 158 SGB III (vgl. LSG Essen 5.6.2014 – L 9 AL 131/13 Ruhen des Arbeitslosengeldes bei Sprinterklausel; BSG, 24.5.2006 – B 11a AL 21/05 R § 158 SGB III ist verfassungsgemäß). Die dem Arbeitnehmer eingeräumte Möglichkeit, aus dem Arbeitsverhältnis vor dessen vereinbarter Beendigung durch einseitige schriftliche Erklärung auszuscheiden, ist eine Kündigung i.S.v. § 623 BGB und bedarf daher der gesetzlichen Schriftform (vgl. BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, unter Aufhebung der Vorinstanz LAG Baden-Württemberg v. 29.8.2014 – 9 Sa 40/14, die zum gegenteiligen Ergebnis gekommen war).

 

Rz. 197

 

Hinweis zur Sprinterklausel

1. Eine Sprinterklausel ist die Einräumung eines Sonderkündigungsrechts für den Arbeitnehmer, die bei Ausübung regelmäßig zu einer Erhöhung der Abfindung führt.
2. Auch wenn die Parteien die abzugebende Erklärung zum Vorziehen des rechtlichen Endes (Sprintererklärung) als "Anzeige", "Ankündigung" oder in ähnlicher Weise bezeichnen, handelt es sich nach der Rechtsprechung des BAG gleichwohl bei der Erklärung um eine Kündigung, welche zwingend der Schriftform des § 623 BGB unterfällt.
3. Eine per Telefax übermittelte schriftliche Kündigungserklärung genügt § 126 Abs. 1 BGB nicht, da die vom Empfangsgerät hergestellte Telekopie lediglich die Ablichtung der Originalunterschrift wiedergibt
4. Ebenso wenig genügt eine Erklärung der vorzeitigen Beendigung per E-Mail oder SMS.
 

Rz. 198

Eine ausdrückliche Regelung zur Fälligkeit der Sprinterprämie empfiehlt sich. Denn halten die Parteien in einem Vergleich ein Fälligkeitsdatum fest, so gilt dies auch dann, wenn die vereinbarte Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer genutzt wird (vgl. ArbG Bonn v. 8.4.2014 – 6 Ca 3135/13). Sprinterklauseln, durch die bei vorzeitigen Ausscheiden die Abfindung erhöht wird, sind nicht streitwerterhöhend (vgl. LAG Köln v. 24.6.2016 4 Ta 132/16, juris Rn 9; LAG Köln v. 22.1.2014 – 5 Ta 369/13, juris); vgl. zu Sprinterklauseln § 1 und § 4 des Mustervertrages, Rdn 454.

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