Rz. 283
Das Bewusstsein für die Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung als ein Baustein der Gesamtversorgung für das Alter in Zeiten geringer werdender gesetzlicher Renten nimmt deutlich zu. Der Gesetzgeber ist wiederholt tätig geworden. Zum 1.1.2009 wurde bis zum 31.12.2017 in einem ersten Schritt die Altersgrenze für die Unverfallbarkeit in § 1b BetrAVG auf das 25. Lebensjahr und ab 1.1.2018 in einem zweiten Schritt auf das 21. Lebensjahr herabgesetzt. Zuvor wurden mit Wirkung zum 1.1.2008 § 2 Abs. 1 und § 6 BetrAVG an die geänderte Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst (vgl. BGBl I 2007, 554). Davor erfolgte durch das Alterseinkünftegesetz eine grundlegende Reform zum 1.1.2005, mit der u.a. dass Recht zur Übertragung der Anwartschaft nach § 4 BetrAVG konzipiert wurde (BGBl I 2004, 1427). Durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (AVmG) v. 26.6.2001, BGBl I, 310, wurde der Reformprozess für die betriebliche Altersversorgung ursprünglich begonnen. Die letzten Änderungen erfolgten durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, welches zum 1.1.2018 Kraft getreten ist (BGBl I, 3214). Die darin vorgesehene letzte Stufe ist zum 1.1.2022 in Kraft getreten.
Rz. 284
Praxistipp
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Schon vor dem 1.1.2022 galt: Alle Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf betriebliche Altersvorsorge, jedenfalls über den Weg der Einzahlung von Teilen des Gehalts (Entgeltumwandlung), soweit der Arbeitgeber nichts Anderes bzw. Attraktiveres anbietet. |
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Seit dem 1.1.2022 nun muss der Arbeitgeber 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss (verpflichtender Arbeitgeberzuschuss i.H.v. 15 % bei der Entgeltumwandlung) gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG uneingeschränkt für alle Verträge einzahlen, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. |
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Dies gilt für die Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds. |
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Leistet der Arbeitgeber den Zuschuss nicht, kann er sich schadensersatzpflichtig machen. |
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Im Rahmen der Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag ist die Thematik ein Merkposten (vgl. Arnold/Ernst, NZA, 2021, 1598 ff. zur Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung in Aufhebungsverträgen). |
Rz. 285
Bei Trennungsverhandlungen ist zunächst zu prüfen, welche Zusagen der Mitarbeiter konkret erhalten hat (1. Schritt: Bestandsaufnahme). Dies gilt gleichermaßen für ältere wie für jüngere Mitarbeiter. Die Ausgestaltung betrieblicher Versorgungsleistungen ist in den verschiedensten Konstellationen (fünf gesetzlich vorgesehene Durchführungswege), auch durch Entgeltumwandlung, möglich (vgl. im Einzelnen § 35 Rdn 1 ff.).
Rz. 286
Von besonderer Bedeutung ist, ob im Zeitpunkt der Trennung die Versorgungszusage bereits unverfallbar ist oder nicht. Bei der Gestaltung der Aufhebungsvereinbarung ist dabei vor allem Folgendes zu berücksichtigen (2. Schritt: verfallbar oder unverfallbar):
1. Anwartschaften
Rz. 287
Zu differenzieren ist zwischen der zum rechtlichen Ende verfallbaren und unverfallbaren Anwartschaft.
a) Verfallbare Anwartschaften – weniger als drei Jahre Betriebszugehörigkeit
Rz. 288
Die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen, nach denen eine Anwartschaft unverfallbar wird, sind in § 1b BetrAVG geregelt. Soweit diese Voraussetzungen nicht erreicht werden, liegt eine verfallbare Anwartschaft vor, es sei denn, es besteht ohnehin aufgrund von Entgeltumwandlung sofortige gesetzliche Unverfallbarkeit gem. § 1b Abs. 5 S. 1 BetrAVG. Nach § 1b Abs. 1 S. 1 BetrAVG bleibt die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles, jedoch – ab 1.1.2018 – nach Vollendung des 21. Lebensjahres (bis zum 31.12.2017 nach Vollendung des 25. Lebensjahres; bis zum 31.12.2008 nach Vollendung des 30. Lebensjahres) endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens drei Jahre (bis zum 31.12.2017 fünf Jahre) bestanden hat. Ein Arbeitnehmer behält gem. § 1b Abs. 1 S. 2 BetrAVG i.d.F. des AVmG seine Anwartschaft auch dann, wenn er aufgrund einer Vorruhestandsregelung ausscheidet und ohne das vorherige Ausscheiden die Wartezeit und die sonstigen Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hätte erfüllen können.
Rz. 289
Wenn Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor dem 1.1.2001 zugesagt worden sind (Altfälle), ist § 1b Abs. 1 BetrAVG i.d.F. des AVmG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Anwartschaft erhalten bleibt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles, jedoch nach Vollendung des 35. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt
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mindestens zehn Jahre oder |
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bei mindestens 12-jähriger Betriebszugehörigkeit mindestens drei Jahre |
bestanden hat (unverfallbare Anwartschaft); in diesen Fällen bleibt die Anwartschaft auch erhalten, wenn die Zusage ab dem 1.1.2001 fünf Jahre bestanden hat und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 30. Lebensjahr vollendet ist. § 1b Abs. 5 BetrAVG findet gem. § 30f BetrAVG für Anwartschaften aus diesen Zusagen keine Anwendung.
Rz. ...