Rz. 338
In zahlreichen Anstellungsverträgen sind Formulierungen enthalten, wonach der Mitarbeiter auch nach seinem Ausscheiden Stillschweigen über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bzw. sonstige betriebsinterne Angelegenheiten zu wahren hat. Nach allgemeiner Auffassung sind solche Geheimhaltungsvereinbarungen (nachvertraglicher Geheimhaltungsvertrag) zulässig (vgl. BAG v. 16.3.1982, BAGE 41, 21 = DB 1982, 2247 – Thrombosol-Reagenz). Sie beugen der Rechtsunsicherheit vor, ob auch ohne eine solche Klausel eine entsprechende nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht begründet werden kann. Denn nach zutreffender Meinung besteht ohne vertragliche Abrede grds. keine Pflicht, nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen bewahren zu müssen (vgl. BGH v. 27.4.2006 – I ZR 126/03, DB 2006, 2459; BGH v. 3.5.2001 – I ZR 153/99, GRUR 2002, 91 – Spritzgießwerkzeuge; BGH v. 16.11.1954, NJW 1955, 463 = BB 1955, 164; Schaub/Linck, ArbR-Hdb, § 53 Rn 47; Rasche, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rn 261; MünchArbR/Reichold, § 54 Rn 44; MüKo/Spinner, Bd. 5, § 611a Rn 1013; Taeger, AuA 1992, 201; Kunz, DB 1993, 2482, 2485; a.A. [3. Senat] BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86] [Ls. 1], NZA 1988, 502 = NJW 1988, 1686 Kundenlisten; zurückhaltender jedoch [9. Senat] BAG v.19.5.1998 – 9 AZR 394/97 Kantenbänder; Bestätigung von BAG v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, DB 1994, 887 = NZA 1994, 502 Titandioxid, wonach eine Nachwirkung vertraglicher Pflichten nur in einem eng begrenzten Umfang angenommen werden kann).
Am 26.4.2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getreten. Damit hat der deutsche Gesetzgeber die EU-Geschäftsgeheimnisse-Richtlinie v. 8.6.2016 zum "Schutz von Know-How und Geschäftsgeheimnissen" in innerstaatliches Recht umgesetzt. Gleichzeitig wurden die §§ 17–19 UWG aufgehoben. Das GeschGehG verzichtet auf die bisher im deutschen Arbeitsrecht übliche Bezeichnung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, deren Differenzierung allerdings ohnehin keine besondere praktische Bedeutung zugeschrieben wurde, zugunsten der einheitlichen Bezeichnung als Geschäftsgeheimnis. Dies mag auch daran liegen, dass das GeschGehG zwar ein Spezialgesetz ist (vgl. LAG Köln v. 2.12.2019 2 SaGa 20/19, juris), aber kein arbeitsrechtliches Spezialgesetz. Das Geschäftsgeheimnis ist nunmehr gesetzlich in § 2 Nr. 1 GeschGehG definiert (vgl. oben § 17 Rdn 2 u. § 21 Rdn 1806). Die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht über Geschäftsgeheimnisse ist weder in der Richtlinie noch im GeschGehG behandelt (s. ausführlich unten § 33 Rdn 3).
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Bei der Gestaltung der Aufhebungsvereinbarung ist daher mangels einer gesetzlichen Vorgabe eine klarstellende Regelung ratsam, ob bzw. wie lange Geschäftsgeheimnisse sowie sonstige vertrauliche Angelegenheiten nach dem rechtlichen Ende weiter zu wahren sind oder nicht (vgl. § 12 des Mustervertrags, Rdn 454). Anlehnend an die §§ 74 ff. HGB ist die Vereinbarung einer nicht länger als zweijährigen nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht zulässig (vgl. auch BGH v. 20.1.2015 – II ZR 369/13, juris Kundenschutzklausel i.d.R. nur bis zu zwei Jahren zulässig; BGH v. 30.4.2014 – I ZR 245/12 Abwerbeverbot von Arbeitnehmern i.d.R. nur bis zu zwei Jahren; ebenso für zwei Jahre: Preis/Reinfeld, AuR 1989, 361, 368/369; Molkenbur, BB 1990, 1200; a.A. Gaul, NZA 1989, 697, 700 – fünf Jahre). Eine solche nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung begründet jedoch für den Arbeitgeber regelmäßig keine Ansprüche auf Unterlassung von Wettbewerbshandlungen gegen den ausgeschiedenen Arbeitnehmer, da sonst die Grenze zum entschädigungspflichtigen und zeitlich auf höchstens zwei Jahre beschränkbaren Wettbewerbsverbot (§§ 74 ff. HGB) überschritten würde (vgl. BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, DB 1999, 289 = NZA 1999, 200).