Rz. 83
Nicht selten ist die vermächtnisweise Zuwendung eines dinglichen Wohnungsrechts an einer Wohnung zugunsten des überlebenden Ehegatten bzw. zugunsten unverheirateter oder behinderter Kinder. Dingliches Wohnungsrecht einerseits und Mietverhältnis andererseits sind rechtlich voneinander verschieden. Rechtsgrund für das Wohnungsrecht ist bei seiner vermächtnisweisen Zuwendung das sich aus dem Vermächtnis ergebende schuldrechtliche Rechtsverhältnis und nicht ein etwa zusätzlich abgeschlossener Mietvertrag über die von dem dinglichen Recht erfasste Wohnung. Die Kündigung des Mietverhältnisses berührt das dingliche Wohnungsrecht grundsätzlich nicht. Das Wohnungsrecht beinhaltet eine dingliche Rechtsposition, für die die Kündigungs- und Mietrechtsvorschriften nicht gelten, auch nicht analog. Für die Höhe des Nutzungsentgelts gelten grundsätzlich die Mieterhöhungsvorschriften nicht. Die Nutzungsentschädigung kann im Zweifel unter Berücksichtigung des Verbraucherpreisindexes jährlich erhöht werden. Die gewöhnlichen Unterhaltungskosten sind vom Wohnungsberechtigten zu tragen.
Rz. 84
Das Wohnungsrecht ist eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1093 ff. BGB). Für seine Eintragung im Grundbuch ist die formlose dingliche Einigung nach § 873 BGB erforderlich. Die Eintragungsbewilligung ist in der Form des § 29 GBO abzugeben, der Eintragungsantrag kann vom Wohnungsberechtigten formlos gestellt werden (§ 13 GBO). Die Voreintragung des Erben als Grundstückseigentümer im Grundbuch ist erforderlich (§ 39 GBO – ein Ausnahmetatbestand des § 40 GBO liegt nicht vor).
Rz. 85
Formulierungsbeispiel: Vereinbarung der Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts
Die Unterzeichnenden sind Geschwister. Ihr Vater, Herr (...), ist am (...) in (...) gestorben. Dem Unterzeichnenden, Herrn (...), wurde im Wege des Vorausvermächtnisses das Alleineigentum an dem Gebäudegrundstück (...) zugewandt. Gleichzeitig wurde der Unterzeichnenden, der Schwester des Vorausvermächtnisnehmers, Frau (...), das Wohnungsrecht an der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Bad und WC und einem Abstellraum im Untergeschoss, auf Lebenszeit ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Gegenleistung eingeräumt.
In Erfüllung dieser Vermächtnisverpflichtung bestellt Herr (...) seiner Schwester, Frau (...), hiermit an der bezeichneten Wohnung und zu Lasten des bezeichneten Gebäudegrundstücks das lebenslange Wohnungsrecht mit dem Inhalt der §§ 1093 ff. BGB.
Herr (...) wird die nach § 19 GBO erforderliche Eintragungsbewilligung in notariell beglaubigter Form abgeben; die Antragstellung wird der Wohnungsberechtigten überlassen.
Die Unterzeichnenden sind sich über die Bestellung des Wohnungsrechts einig.
Die Kosten der Wohnungsrechtsbestellung und ihres Vollzugs trägt (...).
Die Wohnungsberechtigte ist (...) Jahre alt; der Jahreswert des Wohnungsrechts beträgt (...) EUR.
(...)
Ort, Datum
Der Grundstückseigentümer: (...)
Die Wohnungsberechtigte: (...)
Rz. 86
Erfüllt der Grundstückseigentümer den Vermächtnisanspruch des Wohnungsberechtigten nicht freiwillig, so ist er auf Abgabe der Einigungserklärung nach § 873 BGB und der Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO zu verklagen; mit Rechtskraft des Urteils sind die Willenserklärungen ersetzt, § 894 ZPO.
Rz. 87
Da die Wohnungsrechtsbestellung materiell-rechtlich keiner besonderen Form bedarf, kann das Urteil dem Grundbuchamt mit dem entsprechenden Eintragungsantrag vorgelegt werden. Es ist darauf zu achten, dass die grundbuchrechtlich erforderliche Bewilligung nach § 19 GBO sofort in den Klagantrag und damit in das Urteil aufgenommen wird.
Rz. 88
Auch in einem gerichtlichen Vergleich kann die dingliche Einigung nach § 873 BGB erklärt werden.
Rz. 89
Hinweis
Die Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO sollte nicht vergessen werden. Andernfalls wäre noch eine notarielle Unterschriftsbeglaubigung des Grundstückseigentümers (= Beklagter) erforderlich. Und diese würde weitere Kosten verursachen.
Rz. 90
Die Angabe des Alters des Wohnungsberechtigten und des Jahreswerts des Wohnungsrechts ist erforderlich, damit das Grundbuchamt den Gegenstandswert und die Gebühren ermitteln kann (§ 52 GNotKG).
Rz. 91
Umwandlung des Wohnungsrechts in einen Geldanspruch: Ein in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt nicht generell zum Erlöschen des Wohnungsrechts, selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht. Kann der Berechtigte sein auf Lebenszeit eingeräumtes Wohnungsrecht wegen eines medizinisch notwendigen Aufenthalts in einem Pflegeheim nicht ausüben, kommt die Begründung einer Zahlungspflicht des Verpflichteten im Wege der Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nur in Betracht, wenn der Heimaufenthalt auf Dauer erforderlich ist und die Vertragsschließenden nicht mit dem Eintritt dieses Umstands gerechnet haben; fehlen diese Voraussetzungen, kann die ergänzende Vertragsauslegung einen Geldanspruch des Berechtigten begründen.
Rz. 92
Vermieten kann der Wohnungsbe...