A. Allgemeines
Rz. 1
Hinweis
Das strafrechtliche Fahrverbot gem. § 44 StGB wird nachfolgend unter § 60 behandelt (siehe § 60 Rdn 1 ff.).
B. Rechtsgrundlagen
I. Generalklausel
Rz. 2
Die Generalklausel des § 25 StVG ermöglicht die Verhängung eines Fahrverbotes auch in Fällen, in denen ein Regelfall nicht vorliegt (z.B. OLG Düsseldorf NZV 1999, 178).
II. BKatVO
Rz. 3
In Ausübung der ihm in § 26a StVG eingeräumten Ermächtigung hat der Verordnungsgeber die zum 1.1.1990 in Kraft getretene und bundeseinheitlich geltende Bußgeldkatalogverordnung (BKatVO) – BGBl I, S. 1305, ergänzt durch die Verordnung zur Änderung der BKatVO und der FeV vom 25.2.2000 (BGBl I, S. 141) – in der auch die Gerichte bindenden Form einer Rechtsverordnung erlassen. In § 2 Abs. 1 dieser Verordnung sind bestimmte Verstöße als grobe bzw. beharrliche und i.d.R. ein Fahrverbot nach sich ziehende Pflichtverletzungen klassifiziert.
Rz. 4
Nach allgemeiner Meinung ist indessen auch im Bereich des § 4 BKatVO der § 25 StVG alleinige Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Fahrverbotes geblieben.
III. Führen von Kraftfahrzeugen
Rz. 5
Ein Fahrverbot kann nur wegen der Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verhängt werden, also nicht wegen eines von einem Radfahrer oder einem Straßenbahnführer (AG Leipzig NZV 2011, 412) begangenen Verstoßes. Ein Fahrrad mit elektrischem Hilfsantrieb (Pedelec bzw. E-Bike) bleibt ein Fahrrad, solange es mit Unterstützung nicht schneller als 25 km/h fährt, andernfalls ist es ein Kraftfahrzeug (OLG Hamm DAR 2013, 712; OLG Hamm NZV 2014, 482; siehe § 37 Rdn 27). Ein Elektroroller dagegen ist ein Kraftfahrzeug (AG Löbbau NJW 2018, 530).
Gegen den evtl. mitverantwortlichen Halter, der selbst das Tatfahrzeug nicht geführt hat, kann ein Fahrverbot ebenso wenig verhängt werden, wie gegen einen Halter, der seine Halterpflichten verletzt (OLG Hamm DAR 2008, 652).
C. Regelfälle der BKatVO
I. Geschwindigkeitsüberschreitung
Rz. 6
Geschwindigkeitsüberschreitungen um mehr als 30 km/h innerorts oder mehr als 40 km/h außerorts, sowie Geschwindigkeitsüberschreitungen von Lkw-Fahrern um mehr als 20 km/h.
II. Zweiter Verstoß binnen Jahresfrist oder Beharrlichkeit
Rz. 7
Zweite Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 25 km/h innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft (der Tattag spielt hier keine Rolle, BGH NZV 1992, 286) des ersten Verstoßes.
Wiederholte (einfache) Verstöße rechtfertigen nach § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV wiederum ein Fahrverbot (OLG Brandenburg zfs 2014, 412).
III. Sicherheitsabstand
Rz. 8
Unterschreiten des Sicherheitsabstandes um weniger als 3/10 des halben Tachowertes bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h.
IV. Überholen und Spurwechsel
Rz. 9
Überholen oder Fahrstreifenwechsel mit Gefährdung oder Sachbeschädigung.
V. Qualifizierter Rotlichtverstoß
Rz. 10
Überfahren des Rotlichtes nach mehr als einer Sekunde Rotlicht oder unter Gefährdung anderer, allerdings nur dann, wenn zwischen Rotlichtverstoß und Gefährdung bzw. Unfall ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang besteht (OLG Koblenz zfs 2007, 706). Einen solchen Zusammenhang sieht das OLG Celle (NZV 2012, 403) jedoch bereits beim Überfahren einer Fußgängerampel und einem Unfall, mit dem unmittelbar dahinter einmündenden Querverkehr.
Rz. 11
Achtung: auch bei geringfügigem Überschreiten
Auch ein nur geringfügiges Überschreiten der jeweiligen Schwelle rechtfertigt kein Absehen vom Fahrverbot (OLG Bamberg DAR 2012, 152).
D. Dauer
Rz. 12
Durch die VO zur Änderung der BKatVO und der FeV vom 25.2.2000 (BGBl I, S. 141) sind die Sanktionen für Geschwindigkeitsüberschreitungen, namentlich die Dauer des Fahrverbotes, verschärft worden. Beispielsweise beträgt das Regelfahrverbot für eine mit einem Fahrzeug von über 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht innerorts begangene Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 40 km/h jetzt zwei Monate, für die Geschwindigkeitsüberschreitung eines Pkw-Fahrers um mehr als 60 km/h drei Monate.
Für Abstandsunterschreitungen hat die am 1.5.2006 in Kraft getretene 40. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften die Sanktionen ebenfalls erhöht. Jetzt ist (bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 km) bereits das Unterschreiten von 3/10 des halben Tachowertes ein zu einem einmonatigen Fahrverbot führender Regeltatbestand und das Unterschreiten von 2/10 bzw. 1/10 führt zu einem Fahrverbot von zwei bzw. drei Monaten.
Die Dauer des Fahrverbotes beträgt gem. § 25 Abs. 1 StVG ein bis drei Monate, wobei das Mindestmaß von einem Monat nicht unterschritten werden darf (OLG Düsseldorf NZV 2011, 149; BayObLG DAR 2019, 628), es sei denn das Fahrverbot gilt wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen (teilweise) als vollstreckt (OLG Hamm DAR 2011, 409).
Das Fahrverbot kann nur für die vorgeschriebene Gesamtzeit und nicht unterteilt in Etappen angeordnet und vollstreckt werden (BayObLG DAR 2019, 628).
Rz. 13
Die jeweilige Frist für Regelfälle ist vom Bußgeldkatalog vorgegeben und darf nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden (BayObLG zfs 1995, 143; OLG Düsseldorf DAR 1998, 242), wobei die Notwendigkeit, von der Regel abzuweichen, eingehend begründet werden muss (OLG Hamm DAR 2001, 283). Sie darf auch nicht etwa im Hinblick auf eine bereits länger andauernde Rotlichtzeit erhöht werden (KG NZV 2010, 584).
Selbst eine behar...