A. Vorbemerkung
Rz. 1
§ 315c StGB spielt im Verkehrsstrafrecht eine essenzielle Rolle. Kommt beispielsweise neben einer Alkoholisierung noch ein Verkehrsunfall hinzu, handelt es sich in der Regel nicht um eine Strafbarkeit wegen einer Trunkenheitsfahrt, sondern die Voraussetzungen des § 315c StGB sind zu prüfen.
B. Der objektive Tatbestand
I. Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr
1. Fahrzeug
Rz. 2
Mit Fahrzeug ist jedes Fortbewegungsmittel zur Beförderung von Personen und Gütern gemeint. Darunter fallen die typischen Kraftfahrzeuge wie Pkw, Lkw, etc., aber auch z.B. Go-Karts und Fahrräder.
Rz. 3
Muster 27.1: Kein Fahrzeug
Muster 27.1: Kein Fahrzeug
Die Staatsanwaltschaft wirft meinem Mandanten vor, er sei stark alkoholisiert (Blutprobe 1,7 ‰) auf Inline-Skates gefahren. Er sei dabei ins Schwanken gekommen und gegen das Fahrzeug des Geschädigten gefahren und gestürzt, wodurch an diesem Fahrzeug ein Schaden in Höhe von 2.093 EUR netto entstand.
Die Staatsanwaltschaft geht hier von einer Strafbarkeit meines Mandanten wegen § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB aus.
Diese rechtliche Würdigung verfängt nicht.
Mit Fahrzeug ist jedes Fortbewegungsmittel zur Beförderung von Personen und Gütern gemeint (MüKoStVR/Hagemeier StGB § 315c Rn 6). Inline-Skates sind indes keine Fahrzeuge i.S.d. StVO, § 24 Abs. 1 S. 1 StVO (BGH zfs 2002, 335; LG Landshut DAR 2016, 473), sondern werden nach § 24 Abs. 1 S. 2 StVO behandelt. Sie sind also nach den Vorschriften für Fußgänger zu bewerten.
Damit liegt schon der objektive Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB nicht vor, so dass das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen ist.
2. Führen eines Fahrzeugs
Rz. 4
Ein Fahrzeug wird geführt, wenn es unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung gesetzt und es unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrtbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil geleitet wird.
Rz. 5
Einigkeit besteht darüber, dass das Führen eines Fahrzeugs eine Bewegung desselben voraussetzt, auch wenn diese nicht auf Motorkraft zurückzuführen ist. Somit wird auch ein Fahrzeug geführt, dass abgeschleppt wird. Denn der abschleppende Fahrer könnte das gezogene Fahrzeug nicht allein zielgerichtet im Verkehr bewegen. Es bedarf vielmehr notwendigerweise der Mitwirkung des Fahrers des abgeschleppten Pkws zumindest in Form des Lenkens und Bremsens. Nicht hierhin gehören bloße vorbereitende Handlungen oder solche nach Beendigung der Fahrt, z.B. Abstellen des Motors.
Rz. 6
Die Frage, ob ein Führen des Fahrzeugs zu bejahen ist, wenn sich das Fahrzeug ohne den Willen und/oder ohne ein Zutun in Bewegung setzt, ist mit der herrschenden Rechtsprechung zu verneinen.
Rz. 7
Muster 27.2: Kein Führen des Fahrzeugs ohne Willensakt
Muster 27.2: Kein Führen des Fahrzeugs ohne Willensakt
Richtig ist, dass mein Mandant beabsichtigte, den Pkw seines Bekannten umzuparken. Dabei ist er von dem Beifahrer- auf den Fahrersitz gewechselt und startete den Motor. Hierbei hat er übersehen, dass der erste Gang bereits eingelegt war, weshalb das Fahrzeug beim Betätigen des Anlassers einen "Sprung" nach vorne machte, wodurch das davor abgestellte Fahrzeug des Geschädigten einen Schaden von 1.400 EUR netto erlitt. Mein Mandant stellt nicht in Abrede, dass er alkoholisiert war (BAK 1,12 ‰).
Es fehlt jedenfalls an dem nach herrschender Rechtsprechung erforderlichen Willensakt. Bezogen auf die sprachliche Auslegung des Begriffs "Führen" ist eine zielgerichtete Handlung Voraussetzung. Wer ohne seinen Willen bewirkt, dass ein Fahrzeug in Bewegung gerät, führt dieses nicht (OLG Frankfurt DAR 1990, 270; OLG Düsseldorf zfs 1992, 101).
II. Öffentlicher Straßenverkehr
Rz. 8
Die Norm schützt nur den öffentlichen Straßenverkehr und somit den öffentlichen Verkehrsraum. Von einem solchen ist auszugehen, wenn ausdrücklich oder stillschweigend die Benutzung allgemein oder wenigstens für allgemein bestimmte Gruppen von Benutzern zugelassen ist oder aber die Benutzung faktisch geduldet wird.
Rz. 9
Eine Verkehrsfläche gehört dann nicht mehr zum öffentlichen Verkehrsraum, wenn der Berechtigte dies durch eine entsprechende Handlung nach außen deutlich gemacht hat.
Rz. 10
Muster 27.3: Betriebsgelände kein öffentlicher Verkehrsraum
Muster 27.3: Betriebsgelände kein öffentlicher Verkehrsraum
Nach der Arbeit trank mein Mandant mit Arbeitskollegen Alkohol. Er hielt sich anschließend für fahrtauglich und stieg in sein Fahrzeug ein. Auf dem Betriebsgelände, dass eingezäunt ist und zu dem nur Mitarbeiter mit entsprechenden Ausweisen Zutritt haben, soll mein Mandant gegen ein dort abgestelltes Fahrzeug gefahren und dieses erheblich beschädigt haben. Gegenüber der herbeigerufenen Polizei erklärte sich mein Mandant mit der Entnahme einer Blutprobe einverstanden.
Ihm wird nun ei...