Rz. 287
Eines der wesentlichen Ziele des WpÜG ist die Schaffung von Transparenz für die Adressaten des Angebots, um den Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft die Möglichkeit zu geben, in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können. Diesem Ziel trägt insb. die vom Bieter zu erstellende und zu veröffentlichende Angebotsunterlage Rechnung, deren Angaben nach § 11 Abs. 1 Satz 3 WpÜG richtig und vollständig sein müssen.
a) Anfängliche Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage
Rz. 288
Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angebotsunterlage zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung haften nach § 12 Abs. 1 WpÜG als Gesamtschuldner
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derjenige, der für die Angebotsunterlage die Verantwortung übernommen hat (§ 11 Abs. 3 WpÜG) und |
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derjenige, von dem der Erlass der Angebotsunterlage ausgeht. |
Rz. 289
Eine Haftung setzt voraus, dass für die Beurteilung des Angebots wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind. Wesentlich sind in Anlehnung an Art. 7 Abs. 1 und 4 MMVO solche Angaben, die ein verständiger Anleger bei seiner Entscheidung, ob er das Angebot annimmt oder nicht, berücksichtigen würde.
Hinweis
Auch eine Angebotsunterlage, die alle nach § 11 WpÜG i.V.m. § 2 WpÜG-AngebotsVO erforderlichen Angaben enthält, kann unvollständig sein, wenn sie anderweitige Informationen verschweigt, die ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Die Angebotsunterlage enthält dann nicht – wie von § 11 Abs. 1 Satz 2 WpÜG gefordert – alle notwendigen Angaben, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können. Die Billigung der Angebotsunterlage durch die BaFin hat keinen Einfluss auf die Haftung. Denn andernfalls liefe die Haftung nach § 12 WpÜG stets leer.
Demgegenüber sind später veröffentlichte freiwillige Zusatzinformationen i.d.R. nicht als Bestandteil der Angebotsunterlage anzusehen und unterliegen daher nicht der Haftung nach § 12 WpÜG. Sofern das ursprüngliche Angebot alle nach § 11 WpÜG i.V.m. § 2 WpÜG-AngebotsVO erforderlichen Angaben enthält, fehlt es bereits an einer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angebotsunterlage, die die zusätzlichen Informationen erforderlich macht. Sofern aber allein die freiwilligen Zusatzinformationen unrichtig oder unvollständig sind, ist dies unter dem Aspekt des § 12 WpÜG unschädlich. Allerdings kann durch die Zusatzinformationen eine Haftung wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der Ad-hoc-Publizität (§§ 97, 98 WpHG i.V.m. Art. 17 MMVO) oder nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (Prospekthaftung, § 826 BGB, etc.) ausgelöst werden.
Rz. 290
Eine Haftung für eine im Zeitpunkt der Veröffentlichung unrichtige oder unvollständige Angebotsunterlage entfällt u.a. dann, wenn vor der Annahme des Angebots in einer Ad-hoc-Mitteilung nach Art. 17 MMVO oder einer vergleichbaren Bekanntmachung eine deutlich gestaltete Berichtigung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben vorgenommen wurde (§ 12 Abs. 3 Nr. 3 WpÜG). Im Fall der Berichtigung einer anfänglich fehlerhaften Angebotsunterlage haben dann nur die Anleger Anspruch auf Schadensersatz, die das Angebot angenommen haben, bevor die Berichtigung veröffentlicht wurde. Um den Kreis der Anspruchsberechtigten möglichst klein zu halten, ist daher eine sofortige Veröffentlichung geboten, sobald der Fehler entdeckt wurde.
b) Nachträgliche Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage
Rz. 291
Werden wesentliche Angaben der Angebotsunterlage nach ihrer Veröffentlichung unrichtig oder unvollständig, trifft den Bieter bis zum Ablauf der (ggf. weiteren) Annahmefrist eine Pflicht zur Aktualisierung, wenngleich das WpÜG hierzu keine Regelung enthält. Folglich sieht das WpÜG auch keine Bi...