Rz. 341
Eine weitere Besonderheit bei Übernahmeangeboten besteht darin, dass der Bieter eine Nachbesserung in Geld schuldet, wenn er, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen parallel zum Angebot (§ 31 Abs. 4 WpÜG) oder innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Veröffentlichung des Angebotsergebnisses (§ 31 Abs. 5 WpÜG) Aktien der Zielgesellschaft erwerben und hierfür wertmäßig eine höhere als die im Angebot genannte Gegenleistung gewährt oder vereinbart wird. In diesen Fällen ist der Bieter ggü. den Aktieninhabern, die das Angebot angenommen haben, zur Zahlung einer Geldleistung i.H.d. Differenzbetrags verpflichtet. Während eine Nachbesserungspflicht beim Parallelerwerb nach § 31 Abs. 4 WpÜG bei einem Erwerb außerhalb der Börse und über die Börse besteht, ist diese Verpflichtung beim Nacherwerb nach § 31 Abs. 5 WpÜG auf den Erwerb außerhalb der Börse beschränkt. Ebenfalls kein relevanter Nacherwerbstatbestand ist gegeben, wenn Aktien der Zielgesellschaft vom Bieter innerhalb der Jahresfrist im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen erworben werden (§ 31 Abs. 5 Satz 2 WpÜG). Demgegenüber handelt es sich bei einer Abfindung im Rahmen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags um eine in § 305 AktG ausdrücklich normierte Pflicht zur Gewährung einer Abfindung.
Beispiel
Der Bieter unterbreitet den Aktionären der Zielgesellschaft das Angebot, ihre Aktien gegen Zahlung von 12,00 EUR je Aktie zu erwerben. 6 Monate nach Ablauf der Annahmefrist erwirbt der Bieter oder ein Tochterunternehmen des Bieters eine Aktie der Zielgesellschaft zum Preis von 15,00 EUR, und zwar a) über die Börse, b) außerhalb der Börse oder c) aufgrund eines Abfindungsangebots nach § 305 Abs. 1 AktG nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit der Zielgesellschaft. In den Fällen a) und c) schuldet der Bieter keine Nachbesserung. Hingegen ist er im Fall b) verpflichtet, allen Aktionären, die das Angebot angenommen haben, 3,00 EUR zum Verkauf je eingereichter Aktie nachzuzahlen. Um die Aktionäre über ihren Nachbesserungsanspruch zu informieren, sind Aktienerwerbe außerhalb des Angebots in dem Zeitraum nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage und vor Ablauf eines Jahres nach der Veröffentlichung des Angebotsergebnisses nach § 23 Abs. 2 WpÜG zu veröffentlichen und der BaFin mitzuteilen. Nach herrschender Meinung bestünde in den Fällen a) und c) mangels Nachbesserungsanspruchs auch keine Veröffentlichungs- und Mitteilungspflicht.
Rz. 342
Nicht abschließend geklärt ist der Begriff einer dem Erwerb gleichgestellten Vereinbarung nach § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG. Der Wortlaut verlangt für eine solche Gleichstellung eine "Vereinbarung, aufgrund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann." Daraus resultiert, soweit noch unstrittig, das Erfordernis eines einseitigen Übertragungsanspruchs. Die Norm lässt jedoch offen, zugunsten welcher Person der Übertragungsanspruch bestehen muss.
Die überwiegende Auffassung versteht unter einer Vereinbarung in diesem Sinne nur solche, aufgrund derer der Bieter einen Anspruch auf Bezug der Aktien erwirbt. Hierunter fallen insb. Kaufverträge sowie Optionen, die zum Kauf berechtigen (call options), aber auch Wandel- und Optionsanleihen.
Der BGH ist zuletzt der bisherigen Mindermeinung gefolgt, wonach eine dem Erwerb gleichgestellte Vereinbarung nicht voraussetzt, dass der Bieter die Übereignung verlangen kann. Erfasst werden vielmehr allgemein Vereinbarungen, aufgrund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, ohne dass näher bestimmt wird, wer aus der Vereinbarung berechtigt und wer verpflichtet ist. Maßgeblich sei ein Erwerb durch den Bieter, wobei unerheblich ist, wie dieser zustande kommt. Dies umfasst im Ergebnis nicht nur mehraktige Vorgänge, bei denen der Anspruch auf Übereignung erst später begründet wird, sondern ebenfalls Optionen, die zum Verkauf berechtigen (put options).
Der BGH folgt der Gesetzesbegründung, wonach es sich bei § 31 Abs. 6 Satz 1 WpÜG um eine Umgehungsschutzvorschrift handelt, sodass eine weite Auslegung geboten ist. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob ein originärer oder derivativer Erwerb von Wandelschuldverschreibungen vorliegt, die Ausübung des Wandlungsrechts durch den Bieter kurzfristig nach deren Erwerb erfolgt oder eine Barzahlungsoption für den Emittenten besteht. Ausdrücklich ausgenommen sind hingegen gesetzliche Bezugsrechte (§ 31 Abs. 6 Satz 2 WpÜG).