Rz. 371
Nach der Neufassung des sog. Acting in Concert in § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG durch das Risikobegrenzungsgesetz werden dem Bieter auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien der Zielgesellschaft in voller Höhe zugerechnet, mit dem der Bieter oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt. Ausgenommen sind Vereinbarungen in Einzelfällen. Ein abgestimmtes Verhalten setzt voraus, dass der Bieter oder sein Tochterunternehmen und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft in sonstiger Weise zusammenwirken (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 2 WpÜG).
Angesichts des hier – im Einklang mit dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers – vertretenen Gleichlaufs der Regelungen des Acting in Concert in § 30 Abs. 2 WpÜG und der gleichlautenden Regelung in § 34 Abs. 2 WpHG kann im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Neuregelung und die Auslegungsmodalitäten vollumfänglich auf die zu § 34 Abs. 2 WpHG herausgearbeiteten Grundsätze verwiesen werden (s. zu § 34 Abs. 2 WpHG o. Rdn 199 ff.).
Rz. 372
Zum anderen ist auf die höchstrichterliche Rspr. zur Auslegung des § 30 Abs. 2 WpÜG hinzuweisen. In seiner Entscheidung vom 18.9.2006 nahm der BGH einen sehr restriktiven Standpunkt hinsichtlich der Voraussetzungen eines Acting in Concert ein. In dieser stellte er klar, dass jedenfalls die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden aus der Mitte des Aufsichtsrats anders als die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung nicht den Zurechnungstatbestand des § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG erfüllen kann, da die Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur solche Vereinbarungen erfasse, die sich auf die Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft in der Hauptversammlung bezögen. Einer – von dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht gedeckten, extensiven – Anwendung dieser Norm auf Abstimmungsvorgänge innerhalb des Aufsichtsrats stehe die unabhängige Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder entgegen, die allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet seien und i.R.d. ihnen persönlich obliegenden Amtsführung keinen Weisungen unterlägen. Unter welchen Voraussetzungen die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung dem Tatbestand des § 30 Abs. 2 WpÜG unterfallen kann, war bis dahin allerdings noch nicht endgültig entschieden, denn der BGH hatte die Frage, ob das Vorliegen eines Einzelfalls i.S.d. Bestimmung rein formal oder materiell-rechtlich zu entscheiden ist, ausdrücklich offengelassen. In einer jüngeren Entscheidung zu der Parallelregelung des § 34 Abs. 2 Satz 1 WpHG hat sich der BGH dieser Frage jedoch erneut angenommen und einer materiell-rechtlichen Betrachtungsweise – wie zuvor von der BaFin vertreten – ausdrücklich eine Absage erteilt; das Vorliegen einer Einzelfallausnahme sei formal zu bestimmen (s. hierzu i.E. o. Rdn 204). Diese Rspr. lässt sich auf den übernahmerechtlichen § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG übertragen. Auch die BaFin nimmt nunmehr im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis eine solch formale Bestimmung vor.