Dr. Jessica Hanke, Katja Schmitz
Rz. 59
§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB stellt für den Sachmangel in erster Linie auf die vereinbarte Beschaffenheit ab. Liegt eine vertragliche Absprache vor, so ist allein diese ausschlaggebend. Ist keine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben, so kommt es auf die Eignung zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung an (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB). Erst wenn es auch an einem vorausgesetzten Verwendungszweck fehlt, ist die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung entscheidend, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Sachmangels ist der Gefahrübergang (§§ 446, 447 BGB). Seit der Schuldrechtsreform können auch geringfügige Abweichungen einen Sachmangel begründen, wie z.B. die Lieferung von Dachziegeln in der Farbausführung "tiefschwarz" anstatt in dem bestellten Farbton "brillantschwarz". Allerdings ist die Erheblichkeit der Pflichtverletzung für die Begründung eines Rücktrittsrechts und eines großen Schadensersatzanspruchs (statt der Leistung) von Bedeutung (siehe Rdn 70, 74); so verneint der BGH ein Rücktrittsrecht bei einem Kraftstoffmehrverbrauch gegenüber den Herstellerangaben von weniger als 10 %. Bereits der Verdacht eines Mangels kann als solcher einen Mangel begründen.
aa) Beschaffenheitsvereinbarung
Rz. 60
Nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Sache mangelhaft, wenn ihr bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit fehlt.
Eine Beschaffenheitsvereinbarung setzt voraus, dass der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen.
Der Gesetzgeber hat offengelassen, ob vom Beschaffenheitsbegriff nur Eigenschaften umfasst sind, die der Kaufsache unmittelbar physisch anhaften oder ob auch Umstände heranzuziehen sind, die außerhalb der Sache selbst liegen. Die in der Regelung des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zum Ausdruck kommende Herrschaft des Parteiwillens gebietet eine weite Auslegung des Beschaffenheitsbegriffs. Demnach dürften zumindest solche Umstände unter den Beschaffenheitsbegriff fallen, die Gegenstand einer Zusicherung nach § 459 Abs. 2 BGB aF sein konnten, dh alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die der Sache selbst anhaften oder die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Diese Auffassung wird von der neueren BGH-Rechtsprechung gestützt. Ob für die Bejahung der Beschaffenheit jeder tatsächliche Bezug zur Sache ausreicht, ist noch ungeklärt. Die Beschaffenheitsvereinbarung kann ausdrücklich, aber auch konkludent zustande kommen oder sich aus Handelsbrauch ergeben. Bei formbedürftigen Kaufverträgen muss die Beschaffenheitsvereinbarung ebenfalls von der Form erfasst sein. Von den Beschaffenheitsvereinbarungen sind bloße Wissenserklärungen zu unterscheiden, bei denen der Verkäufer Zusätze wie "soweit bekannt", "laut Zulassungsbescheinigung Teil II" oder "laut Vorbesitzer" verwendet; für sie haftet der Verkäufer nur nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB (vgl. Rdn 58).
bb) Eignung zur vorausgesetzten Verwendung
Rz. 61
Der Auffangtatbestand des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB kommt zur Anwendung, wenn die Parteien keine Beschaffenheit vereinbarten, aber bei Vertragsschluss eine bestimmte Verwendung der Kaufsache voraussetzten. Hierfür muss der Käufer bei Vertragsschluss den Zweck des Kauf...