Dr. Jessica Hanke, Katja Schmitz
Rz. 148
Sofern kein Ausnahmetatbestand nach § 312g Abs. 2 und 3 BGB besteht, kann der Verbraucher seine Willenserklärung gem. § 312g Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB auch nach Vertragsabschluss widerrufen.
(1) Widerrufserklärung
Rz. 149
Der Widerruf bedarf keiner Begründung (§ 355 Abs. 1 S. 4 BGB) und ist innerhalb von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Unternehmer (§ 355 Abs. 1 S. 2 BGB) zu erklären. Die Widerrufserklärung kann formlos erfolgen, also auch mündlich, telefonisch, per Fax oder E-Mail. Nicht ausreichend ist hingegen die kommentarlose Rücksendung der Ware. Aufgrund der Beweislast des Verbrauchers für die Rechtzeitigkeit des Widerrufs (siehe Rdn 150) ist die Einhaltung der Textform (§ 126b BGB) ratsam. Nach § 356 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen dem Verbraucher dafür auch das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB oder die Widerrufserklärung per Webseite oder über ein eigenes Formular zur Verfügung stellen. Macht der Verbraucher von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen (§ 356 Abs. 1 S. 2 BGB).
(2) Widerrufsfrist
Rz. 150
Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist regelmäßig 14 Tage. Zur Fristwahrung genügt gem. § 355 Abs. 1 S. 5 BGB die rechtzeitige Absendung. Die Widerrufsfrist beginnt mit Vertragsschluss, wenn nichts anderes bestimmt ist (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB). Für Verbrauchsgüterkäufe im Rahmen des Fernabsatzes gelten die Sonderbestimmungen in § 356 Abs. 2 und 3 BGB. Nach § 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) beginnt die Widerrufsfrist, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Ware erhalten hat. Abweichende Regelungen gelten für mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) BGB), Teilsendungen (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) BGB) und regelmäßige Lieferungen (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. d) BGB). Nach § 356 Abs. 3 BGB beginnt die Widerrufsfrist allerdings nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher über das Widerrufsrecht entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet hat. Jedenfalls dem Wortlaut zufolge ist dabei auf die vorvertragliche Informationspflicht abzustellen (siehe Rdn 141). In der Literatur wird diskutiert, ob nach Systematik und Verbraucherschutzgedanke dennoch auf die Bestätigung auf einem dauerhaften Datenträger abzustellen ist (siehe Rdn 147). Das Widerrufsrecht erlischt spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem in § 356 Abs. 2 BGB oder § 355 Abs. 2 S. 2 BGB genannten Zeitpunkt (§ 356 Abs. 3 S. 2 BGB).
Nach § 361 Abs. 2 BGB ist eine vertragliche Modifikation der gesetzlichen Bestimmungen zum Widerrufsrecht, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (z.B. in § 357 Abs. 3 S. 2 BGB), nur zugunsten des Verbrauchers möglich; insbesondere eine Verkürzung der Widerrufsfrist ist unwirksam.
Die Beweislast für den maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist trägt der Unternehmer.
(3) Durchführung des Widerrufs
Rz. 151
Mit Erklärung des Widerrufs entfällt die Bindung des Verbrauchers an seine Willenserklärung, der Vertrag wandelt sich mit ex nunc-Wirkung in ein Rückgewährschuldverhältnis um (§§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB). Anspruchsgrundlage für die jeweilige Rückgewährpflicht ist § 355 Abs. 3 S. 1 BGB; bei Fernabsatzverträgen wird diese durch die Regelungen in § 357 BGB ergänzt.
Die Frist zur Rückgewähr beträgt 14 Tage (§ 357 Abs. 1 BGB) und beginnt für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung (§ 355 Abs. 3 S. 2 BGB).
Der Verbraucher ist zur Herausgabe und Rückübereignung der gelieferten Sache verpflichtet, der Unternehmer – grds. Zug um Zug – zur Rückzahlung des Kaufpreises. Bei einem Verbrauchsgüterkauf im Rahmen des Fernabsatzes ist der Verbraucher allerdings gem. § 357 Abs. 4 BGB vorleistungspflichtig. Der Verbraucher hat die an ihn geleistete Ware an den Unternehmer zurückzuliefern. Einen gelieferten Bausatz hat er davor wieder auseinanderzubauen. Die Kosten der Rücksendung trägt er nur, wenn er nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EGBGB von dieser Pflicht unterrichtet wurde. Die Gefahr der Rücksendung trägt gem. § 355 Abs. 3 S. 4 BGB der Unternehmer, der auch etwaige Kosten des Verbrauchers für die Lieferung an ihn zurückgewähren muss (§ 357 Abs. 2 S. 1 BGB).