Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 78
Der Arbeitgeber ist, abgesehen vom Fall des § 40 Abs. 3 EStG, nicht Schuldner der Lohnsteuer, § 38 Abs. 2 EStG. Dies gilt auch für den Fall einer Nettolohnvereinbarung.
Rz. 79
Für die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber aber als Haftender in Anspruch genommen werden. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 S. 1 und 3, Abs. 3 S. 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Der Arbeitgeber haftet nach § 42d Abs. 1 Nr. 1–4 EStG für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat, für die Lohnsteuer, die er beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattet hat, für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die aufgrund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wurde, und für die Lohnsteuer, die in den Fällen des § 38 Abs. 3a EStG der Dritte zu übernehmen hat.
Rz. 80
Die Ansprüche gegenüber dem Haftenden unterliegen nach den Vorschriften der AO (§§ 228 ff. AO) der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Die Verjährung kann gehemmt oder unterbrochen werden. Durch die Verjährung erlöscht der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und die von ihm abhängenden Zinsen.
Rz. 81
Der Arbeitgeber hat den Arbeitslohn vorschriftsmäßig gekürzt, wenn er die Lohnsteuer entsprechend den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte berechnet und wenn er der Berechnung der Lohnsteuer die für das maßgebende Jahr gültige Lohnsteuertabelle zugrunde gelegt hat.
Rz. 82
Die Haftung des Arbeitgebers ist grundsätzlich nicht von einem Verschulden abhängig. Bei einer fehlerhaft ausgestellten Lohnsteuerbescheinigung beschränkt sich die Haftung des Arbeitgebers auf die Lohnsteuer, die sich bei der Einkommenssteuerveranlagung des Arbeitnehmers ausgewirkt hat.
Rz. 83
Das Haftungsrisiko wird durch § 42e EStG gemildert. Nach § 42e EStG hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Ist der Arbeitgeber entsprechend einer ihm oder dem Arbeitnehmer erteilten unrichtigen Anrufungsauskunft oder entsprechend einer unrichtigen verbindlichen Zusage (§§ 204 ff. AO) verfahren, ist der Haftungstatbestand des § 42f EStG nicht erfüllt, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer damit vorschriftsmäßig einbehalten und abgeführt hat.
Rz. 84
Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner (§ 42d Abs. 3 S. 1 EStG). Jeder schuldet die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 S. 2 AO). Das Betriebsstättenfinanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen (§ 42d Abs. 3 S. 2 EStG). Das Finanzamt ist zwar an die Grundsätze der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens und der Beachtung der durch Recht und Billigkeit gezogenen Grenzen gebunden. Die Grundsätze von Recht und Billigkeit verlangen jedoch keine vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitnehmers als Steuerschuldner.
Rz. 85
Die Ermessensprüfung hinsichtlich der Ausübung durch das Betriebstättenfinanzamt hat sich sowohl auf das Entschließungs- als auch auf das Auswahlermessen zu erstrecken. Die Frage, ob der Arbeitgeber vor dem Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden darf, hängt wesentlich von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab, wobei von dem gesetzgeberischen Zweck des Lohnsteuerverfahrens, durch den Abzug an der Quelle den schnellen Eingang der Lohnsteuer in einem vereinfachten Verfahren sicherzustellen, auszugehen ist.
Rz. 86
Eine vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitgebers vor dem Arbeitnehmer kann danach unzulässig sein, wenn die Lohnsteuer ebenso schnell und ebenso einfach vom Arbeitnehmer nacherhoben werden kann.
Rz. 87
War nach diesem Grundsatz die Inanspruchnahme des Arbeitgebers unzulässig, kann er trotzdem in Anspruch genommen werden, wenn der Versuch des Finanzamtes, die Lohnsteuer beim Arbeitnehmer nachzuerheben, erfolglos verlaufen ist und § 173 Abs. 2 AO dem Erlass eines Haftungsbescheides nicht entgegensteht.
Rz. 88
Eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers kann wegen Unbilligkeit ausgeschlossen sein. Ein Ausschluss hat die Rechtsprechung beispielsweise bejaht, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Methode der Steuerberechnung anwendet und das Finanzamt hiervon Kenntnis erlangt und nicht beanstandet hat, wenn der Arbeitgeber einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen ist, z.B. weil das Finanzamt eine unklare oder falsche Auskunft gegeben hat, oder weil er den Angaben in einem Manteltarifvertrag über die Steuerfreiheit vertraut hat, oder wenn der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug entsprechend der von einer Oberfinanzdirektion in einer Verfügung geäußerten Auffassung durchführt, auch wenn er die Verfügung nicht gekannt hat.
Rz. 89
Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers ist in aller Regel ermessensfehlerfrei, wenn die Einbe...