Rz. 14

Zum Wesen einer Teilentscheidung gehört ferner, dass (nur) der abgrenzbare Teil des Streitgegenstandes vor dem übrigen Teil spruchreif geworden ist.[18] Es kann sich dabei entweder um die Entscheidungsreife eines von mehreren mit einer Klage geltend gemachten selbstständigen prozessualen Ansprüchen (§§ 301 Abs. 1 S. 1 Var. 1, 260 ZPO) oder nur eines Teils eines – teilbaren – selbstständigen prozessualen Anspruchs (§ 301 Abs. 1 S. 1 Var. 2 ZPO) handeln.

 

Rz. 15

An der Entscheidungsreife eines Anspruchs fehlt es beispielsweise, wenn dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zusteht (§§ 273, 320 BGB).[19]

 

Rz. 16

Ebenso fehlt die Entscheidungsreife, wenn noch Angriffs- und Verteidigungsmittel zugelassen werden müssen: Kann ein Rechtsstreit nicht insgesamt erledigt werden, so ist eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens (§§ 296, 530 ZPO) durch Vorabentscheidung über denjenigen Teil der Klage, den das verspätete Vorbringen betrifft, nicht gerechtfertigt. Ist der Rechtsstreit insgesamt noch nicht zur Entscheidung reif, so kann nicht festgestellt werden, dass die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens den Rechtsstreit verzögern würde. Durch Teilurteil dürfen nicht Angriffs- oder Verteidigungsmittel als verspätet zurückgewiesen werden, deren Berücksichtigung im zeitlichen Rahmen des restlichen, dem Schlussurteil vorbehaltenen Rechtsstreits ohne dessen Verzögerung möglich ist.[20] Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens zum Klagegrund durch Grundurteil ist dagegen zulässig.[21]

 

Rz. 17

Über eine Anschlussberufung (§ 524 ZPO, siehe § 28 Rdn 176 ff.) kann nicht durch Teilurteil vorab entschieden werden, weil immer noch die Möglichkeit besteht, dass die (Haupt-)Berufung zurückgenommen, als unzulässig verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird und die Anschlussberufung dadurch von selbst ihre Wirkung verliert (§ 524 Abs. 4 ZPO). Solange das rechtliche Schicksal der Anschlussberufung wegen ihrer Abhängigkeit von der (Haupt-)Berufung noch in der Schwebe ist, ist der von ihr erfasste Teil des Rechtsstreits nicht entscheidungsreif.[22]

 

Rz. 18

Die Möglichkeit eines (zulässigen) Teilurteils bei Entscheidungsreife eines Teils des Streitgegenstandes steht grundsätzlich einer Prozesstrennung (§ 145 ZPO) entgegen.[23]

[18] BGH, Urt. v. 16.1.1992 – VII ZR 85/90, NJW 1992, 1632; BGH, Beschl. v. 29.2.1984 – IVb ZB 28/83, NJW 1984, 1543.
[19] BGH, Urt. v. 16.1.1992 – VII ZR 85/90, NJW 1992, 1632.
[20] BGH, Urt. v. 26.6.1980 – VII ZR 243/79, BGHZ 77, 306.
[21] BGH, Urt. v. 26.6.1980 – VII ZR 243/79, BGHZ 77, 306; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, MDR 1980, 50.
[22] BGH, Urt. v. 30.4.1956 – II ZR 217/54, NJW 1956, 1030.
[23] Vgl. BGH, Urt. v. 30.10.1956 – I ZR 82/55, NJW 1957, 183; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2011 – I-23 U 150/10, BauR 2011, 1693; OLG München, Urt. v. 12.1.2000 – 7 U 4183/99, OLGR München 2000, 279.

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