Rz. 57
Der Arbeitnehmer ist gut beraten, die Aufnahme näherer Regelungen über die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses in den Vergleich zu verlangen. Das gilt besonders, wenn im Arbeitsverhältnis Störungen aufgetreten sind. Im Rahmen der Verhandlungen über einen Vergleichsschluss im Kündigungsschutzprozess kann der Arbeitnehmer seine Vorstellungen über den Inhalt des Zeugnisses häufig durchsetzen, später in aller Regel nicht mehr. So kann ein Arbeitnehmer etwa aus § 109 Abs. 1 S. 3 GewO keinen Anspruch auf eine (Bedauerns-), Dankes- und Wunschformel ableiten.
Rz. 58
Formulierungsbeispiele
Der Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
Der Beklagte erteilt dem Kläger ein Zwischenzeugnis und ein mit dem Ausstellungsdatum des (…) versehenes Endzeugnis auf Originalfirmenbriefbogen und leitet es dem Kläger/dem Kläger-Vertreter ungeknickt und ungefaltet zu. Das Zeugnis hat eine ausführliche Beschreibung der Tätigkeiten des Klägers zu enthalten und muss im Leistungs- und Verhaltensbereich die Note "gut" ausweisen.
Der Beklagte erteilt dem Kläger ein Endzeugnis, in welchem er Leistung und Verhalten des Klägers wie folgt bewerten wird: "Herr (…) hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kunden und Mitarbeitern war stets einwandfrei." Der Schlusssatz des Zeugnisses wird lauten: "Wir bedauern sein Ausscheiden, danken ihm für die geleistete Tätigkeit und wünschen ihm für die Zukunft privat und beruflich alles Gute."
Der Beklagte erteilt dem Kläger ein Endzeugnis mit dem Datum des (…). Dabei wird er den Text des Zwischenzeugnisses vom (…) übernehmen und lediglich folgende Änderungen bzw. Anpassungen vornehmen: (…) (genaue Beschreibung der Änderungen und Anpassungen).
Der Beklagte erteilt dem Kläger ein Endzeugnis mit dem Datum des (…), wobei er textlich unverändert den in der heutigen Verhandlung zur Gerichtsakte gereichten Entwurf des Klägers übernehmen wird.
Rz. 59
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits ein Zwischenzeugnis erteilt, gestalten sich die Verhandlungen über den Inhalt des Endzeugnisses oft einfacher. Es ist dann möglich, zunächst den Text des Zwischenzeugnisses zur Verhandlungsgrundlage zu machen; der Arbeitnehmer kann hier konkret vortragen, welche Änderungen er sich vorstellt. Gleiches gilt, falls der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits ein Endzeugnis erteilt hat und es um dessen Abänderung geht. Die Änderungen sollten dann nach Absatz und Wortlaut genau bezeichnet in den Vergleichstext mit aufgenommen werden.
Rz. 60
Ist das bereits erteilte Zeugnis kaum verwertbar oder hat der Arbeitgeber noch kein Zeugnis erteilt, legt aber der Arbeitnehmer großen Wert auf einen bestimmten Inhalt, sollte er zu den Vergleichsverhandlungen einen Zeugnisentwurf mitführen. Zum Teil kann es sinnvoll sein, diesen der Gegenseite vorab zu übersenden. Es kann dann in den Vergleich aufgenommen werden, dass der Text des Entwurfes zur verbindlichen Grundlage des zu erteilenden Zeugnisses gemacht wird.
Rz. 61
Soweit der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses nicht unerhebliche Zeit nach dem Tag des Vergleichsschlusses liegt, sollte der Arbeitnehmer darauf bestehen, nicht nur ein End-, sondern auch ein Zwischenzeugnis zu erhalten. Oft sind Bewerbungen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus erfolgreicher. Dass das Arbeitsverhältnis sich in einem arbeitgeberseitig gekündigten Zustand befindet, sollte dementsprechend aus dem Text des Zwischenzeugnisses nicht hervorgehen, was vorsorglich ausdrücklich im Vergleich vereinbart werden sollte.
Rz. 62
Hält der Arbeitnehmer es nicht für erforderlich (oder nicht für durchsetzbar), dass dem zu erteilenden Zeugnis ein bestimmter Inhalt zugrunde gelegt wird, sollte er versuchen, zu erreichen, dass zumindest die Benotung des Zeugnisses im Vergleichswege festgelegt wird. Dabei wird der Arbeitnehmer nach Möglichkeit sowohl im Leistungs- als auch im Verhaltensbereich die Vereinbarung der Note "gut" oder auch – präziser – der entsprechenden Formulierung ("stets zu unserer vollen Zufriedenheit"/"stets einwandfrei") anstreben. Vollstreckungsfähig ist diese Regelung allerdings nicht, sodass im Streitfall (erneut) ein Erkenntnisverfahren vom Arbeitnehmer angestrengt werden müsste. Ein "sehr gutes" Zeugnis sollte der Arbeitnehmer – abgesehen von Arbeitnehmern in Leitungspositionen oder in Branchen, in denen die Erteilung eines solchen Zeugnisses üblich ist – nicht unbedingt durchzusetzen versuchen. Es ist zu bedenken, dass derart ausgezeichnete Bewertungen Nachfragen der Personalsuchenden bei dem bisherigen Arbeitgeber verursachen können, bei denen die Wahrheit – oder das, was der bisherige Arbeitgeber dafür hält – ans Licht kommt.