Rz. 310
Für das Verhältnis mehrerer einstweiliger Anordnungen zueinander war bis 2013 § 18 Nr. 1 RVG a.F. zu beachten, wonach in Familiensachen mehrere einstweilige Anordnungen anlässlich derselben Hauptsache untereinander als eine Angelegenheit galten, wenn sie zur selben Buchstabengruppe des § 18 Nr. 1 RVG a.F. gehörten. Danach waren also mehrere einstweilige Anordnungen anlässlich derselben Hauptsache als eine gebührenrechtliche Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG zusammenzufassen, sodass die Gebühren nur einmal entstehen konnten. Im Gegenzug wurden dafür aber die Werte der jeweiligen einstweiligen Anordnungsverfahren zusammengerechnet. Das galt selbst dann, wenn derselbe Gegenstand betroffen war. Eine gleich lautende Regelung fand sich in § 18 Nr. 2 RVG a.F. für einstweilige und vorläufige Anordnungsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Rz. 311
Da einstweilige Anordnungsverfahren nach dem FamFG auch ohne Hauptsacheverfahren zulässig sind (§ 51 Abs. 3 FamFG) und es daher in vielen Fällen an der "Klammerwirkung" des Hauptsacheverfahrens fehlen wird, passte diese Regelung nicht mehr. Der Gesetzgeber hat daher § 18 Nr. 1 und 2 RVG a.F. ersatzlos aufgehoben.
Rz. 312
In Familiensachen sind also einstweilige Anordnungsverfahren nach den §§ 49 ff. FamFG jeweils eigene gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG, in denen der Anwalt seine Gebühren jeweils gesondert abrechnen kann.
Rz. 313
Beispiel 110: Mehrere einstweilige Anordnungen während desselben Verfahrens, isoliertes Verfahren
In einem isolierten Umgangsrechtsverfahren erlässt das Gericht eine befristete einstweilige Anordnung zu vorläufigen Besuchskontakten. Nach Auslauf dieser einstweiligen Anordnung ergeht später eine weitere einstweilige Anordnung zum Besuchsrecht. Über Hauptsache und einstweilige Anordnungen wird verhandelt.
Beide einstweiligen Anordnungen sind selbstständig abzurechnen. Ausgehend vom hälftigen Hauptsachewert ergibt sich folgende Berechnung:
I. |
Hauptsacheverfahren |
|
(siehe Beispiel 100) |
II. |
Erstes einstweiliges Anordnungsverfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
215,80 EUR |
|
(Wert: 2.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
199,20 EUR |
|
(Wert: 2.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
435,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
82,65 EUR |
Gesamt |
|
517,65 EUR |
III. |
Zweites einstweiliges Anordnungsverfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
215,80 EUR |
|
(Wert: 2.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
199,20 EUR |
|
(Wert: 2.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
435,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
82,65 EUR |
Gesamt |
|
517,65 EUR |
Rz. 314
Beispiel 111: Mehrere einstweilige Anordnungen während desselben Verfahrens, Verbund
Während des Scheidungsverbundverfahrens ergeht zunächst ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Anordnung auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 1.860,00 EUR. Anschließend wird eine einstweilige Anordnung zum Unterhalt erlassen (Wert: 6.000,00 EUR) und später eine einstweilige Anordnung zum Umgangsrecht, über die jeweils verhandelt wird.
Jedes einstweilige Anordnungsverfahren ist eine eigene selbstständige Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG, sodass die Gebühren jeweils gesondert anfallen.
Die Werte ergeben sich jeweils aus § 41 FamGKG. Ausgehend vom hälftigen Hauptsachewert wäre wie folgt zu rechnen:
I. |
Einstweiliges Anordnungsverfahren Kostenvorschuss |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
215,80 EUR |
|
(Wert: 1.860,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
235,80 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
44,80 EUR |
Gesamt |
|
280,60 EUR |
II. |
Einstweiliges Anordnungsverfahren Unterhalt |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
507,00 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
468,00 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
995,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
189,05 EUR |
Gesamt |
|
1.184,05 EUR |
III. |
Einstweiliges Anordnungsverfahren Umgangsrecht |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
215,80 EUR |
|
(Wert: 2.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
199,20 EUR |
|
(Wert: 2.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
435,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
82,65 EUR |
Gesamt |
|
517,65 EUR |
Rz. 315
Mehrere Angelegenheiten sind auch dann gegeben, wenn in einer Gewaltschutzsache eine einstweilige Anordnung ergeht und später die Verlängerung der Anordnung beantragt wird.
Beispiel 112: Einstweilige Anordnung nach dem GewSchG und Verlängerung
Der Anwalt erwirkt eine auf sechs Monate befristete einstweilige Anordnung gegen den Antragsgegner, die diesem den Kontakt mit der Antragstellerin untersagt. Vor Ablauf der sechs Monate beantragt der Antragsteller die Verlängerung der einstweiligen Anordnung.
Es sind zwei verschiedene Angelegenheiten gegeben. Die Gebühren entstehen daher jeweils gesondert aus dem Wert der §§ 49 Abs. 1, 41 Fam...