Rz. 508
Nach § 91 Abs. 2 AktG eingefügt, durch den der Vorstand der AG verpflichtet wird, geeignete Maßnahmen zu treffen, insb. ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt werden können. Welche konkreten Pflichten daraus herzuleiten sind, was also unter einem Überwachungssystem i.S.d. Vorschrift zu verstehen ist, ist in der Lit. umstritten. Teilweise wird vertreten, dass ein vollständiges betriebswirtschaftliches Risikomanagementsystem einzurichten ist, dessen Teil das eigentliche Krisenfrühwarnsystem ist. Die wohl h.M. sieht in der Vorschrift lediglich eine Konkretisierung der Kontroll- und Überwachungspflichten des Vorstandes, also die Pflicht zur Einrichtung einer Organisation, die bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig erkennen lässt. Jedenfalls muss der Vorstand das Risikomanagementsystem nicht nur einrichten, sondern auch umfassend dokumentieren.
Rz. 509
Eine dem § 91 Abs. 2 AktG vergleichbare Regelung für die GmbH wurde in das GmbHG zwar nicht aufgenommen, jedoch sollte die Regelung nach dem Willen des Gesetzgebers eine Ausstrahlwirkung auch auf Unternehmen in anderen Rechtsformen, insb. der GmbH entwickeln.
Rz. 510
Nach nunmehr ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in § 1 StaRUG sind die Geschäftsleitungen aller haftungsbeschränkter Gesellschaften (Gesellschaften ohne natürliche Person als Vollhafter) verpflichtet, fortlaufend über die Entwicklungen, welche den Fortbestand der Gesellschaft gefährden können, zu wachen und, sobald sie Kenntnis von einer solchen Entwicklung erhalten, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen und den Überwachungsorganen unverzüglich Bericht zu erstatten. Sofern die zu ergreifenden Maßnahmen Zuständigkeiten anderer Organe berühren, haben die Geschäftsleitungen unverzüglich auf deren Befassung hinzuwirken.
Nach § 101 StaRUG hat das BMJV auf seiner Internetadresse www.bmjv.bund Informationen über die Verfügbarkeit der von öffentlichen Stellen bereit zu stellenden Instrumentarien zur frühzeitigen Identifizierung von Krisen bereitzustellen.
Rz. 511
Das "ob" einer Risikoüberwachung und der Einrichtung eines Frühwarnsystems steht also nicht (mehr) im unternehmerischen Handlungsermessen. Zum "wie" eines klaren und transparenten Frühwarnsystems enthalten die EU-Richtlinie und das StaRUG nicht einmal ansatzweise Regelungen. Die Ausgestaltung des Früherkennungssystems dürfte also abhängig sein vom konkreten Einzelfall, insbesondere Art, Größe, Komplexität der Unternehmensstruktur, Finanzierbarkeit des Systems, etc. Als Mindeststandard scheint in der Praxis eine rollierende Liquiditätsplanung über einen Zeitraum von 3 Monaten, bei größeren Unternehmen zusätzlich eine mittelfristige integrierte Vermögens-, Ertrags- und Finanzplanung über einen Zeitraum von 2–3 Jahren angenommen zu werden.
Rz. 512
Für die Verletzungen dieser Pflichten enthält das StaRUG keine gesonderten Haftungsregelungen. Bei Verletzung diese Pflichten kann sich der Geschäftsführer also nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Gesellschaftsgesetzen schadensersatzpflichtig machen, etwa nach § 43 Abs. 2 GmbHG oder § 93 AktG.