Rz. 842
Im Gesetz ist nicht geregelt, ob die Umwandlung der Gläubigerforderungen in Gesellschaftsanteile, also die Einbringung der Forderungen in die Schuldnergesellschaft zum Nennwert oder zum (geschätzten) Verkehrswert erfolgt. Für einen Ansatz zum Nennwert könnte die Regelung in § 254 Abs. 4 InsO sprechen. Nach dieser kann der Schuldner nach gerichtlicher Bestätigung des Insolvenzplans Ansprüche wegen Überbewertung der eingebrachten Forderungen gegen die Gläubiger (jetzigen Gesellschafter), also die Differenzhaftung nicht geltend machen.
M.E. widerspräche eine Einbringung von Forderungen in eine insolvente Gesellschaft zum Forderungsnennwert dem Grundsatz der Kapitalaufbringung. Außerhalb des Insolvenzverfahrens kommt es auf die objektive Bewertung der Forderung an. Warum soll das im Insolvenzverfahren nicht gelten? Für einen Ansatz zum Verkehrswert spricht auch die Begründung im RegE des ESUG. Dort ist ausgeführt, dass ggf. ein Bewertungsgutachten einzuholen ist.
Aus Sicht des umwandelnden Gläubigers kann folgende wirtschaftliche Überlegung dafürsprechen, nur zum realen Forderungswert in Gesellschaftsanteile umzuwandeln: Je höher das ausgewiesene Nominalkapital ist, desto größer muss das Vermögen der Gesellschaft werden, damit (Gewinn-)Entnahmen des Gesellschafters keine nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verbotenen Stammkapitalrückzahlungen sind. Mit diesem Hinweis scheint mir die vorstehend dargestellte Diskussion ein Stück weit akademisch zu sein.
Allerdings ist auch die Beurteilung des Verkehrswertes keineswegs sicher: Ist hier der Zerschlagungs- oder Liquidationswert (Insolvenzquote) oder der Fortführungswert anzusetzen? Der Regierungsentwurf des ESUG geht davon aus, dass der Liquidationswert maßgeblich ist. Das scheint mir allerdings mit der Sanierungsperspektive nicht in Einklang zu stehen. Jedenfalls dürften werthaltige Sicherheiten zu berücksichtigen sein.
Rz. 843
Nicht zu verkennen ist aber in jedem Fall, dass die Regelung für Neugläubiger grds. die Gefahr einer zu hohen Bewertung der in Stammkapital umgewandelten Gläubigerforderungen und somit des Ausweises eines (u.U. erheblich) zu hohen Stammkapitals birgt.
Dies gilt umso mehr als nach § 254 Abs. 4 InsO eine Nachschusspflicht nach den Grundsätzen der Differenzhaftung ausgeschlossen ist, um so Planungssicherheit für die umwandelnden Gläubiger zu erreichen.
Rz. 844
Zum Schutz der Neugläubiger einer Gesellschaft nach Durchführung eines debt-equity-swap im Insolvenzplanverfahren sind folgende Überlegungen denkbar: Gläubiger oder Anteilseigner, könnten bei fehlerhafter Bewertung der Sacheinlage Rechtsmittel gegen den Plan einlegen. U.U. hat das Insolvenzgericht bei nicht unwesentlicher Überbewertung der Forderungen auch von sich aus den Plan entsprechend § 9c Abs. 1 Satz 2 GmbHG zurückzuweisen.
Nimmt der Insolvenzverwalter die Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister vor und ist die Sacheinlage (eingebrachte Forderung) zu hoch bewertet, könnte eine Haftung wegen Falschangabe nach §§ 57 Abs. 4, 9a GmbHG in Betracht kommen. Der Verwalter kann der Gefahr einer möglichen, allerdings nicht ausdrücklich geregelten Haftung nach § 60 InsO oder §§ 57 Abs. 4, 9a GmbHG wegen Falschbewertung von Ansprüchen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Wert der Ansprüche begegnen.
Das Registergericht könnte, allerdings ebenfalls nicht geregelt, etwa wie bei der Sacheinlage ein Recht oder gar eine Pflicht zur Prüfung des Einlagewertes haben. Schließlich könnte bei Missbrauch der Privilegierung des § 254 Abs. 4 InsO ein Anspruch der Gesellschaft nach § 826 BGB gegeben sein.