Rz. 547
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer bei Eintritt einer Krise der Gesellschaft verpflichtet ist, Sanierungsmöglichkeiten zu prüfen (s.o. Rdn 513 f.). Dies gilt natürlich auch und gerade bei Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit.
Rz. 548
In § 2 StaRUG-RegE war eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung von Geschäftsleitern von haftungsbeschränkten Gesellschaften vorgesehen, bei Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren (sog. shift of duties); entgegenstehende Weisungen der Gesellschafter sollten unbeachtlich sein. Nach § 3 StaRUG-RegE sollte die Verletzung dieser Pflichten eine persönliche Schadensersatzhaftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft nach sich ziehen (Reorganisationsverschleppungshaftung, ähnlich § 43 Abs. 1 u. 2 GmbHG). Das ist nach teilweise erheblicher und berechtigter Kritik in der Lit. wegen des vollkommen ungeklärten Verhältnisses zu den gesellschaftsrechtlich verankerten Sorgfalts- und Sanierungspflichten gem. der Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags nicht Gesetz geworden.
Gleichzeitig hat der Rechtsausschuss jedoch seiner Rechtsauffassung Ausdruck gegeben, dass sich entsprechende Geschäftsführerpflichten mit Schadensersatzfolge bei Verletzung bereits aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten der Geschäftsleiter etwa nach § 43 GmbHG, § 93 AktG ergäben. Auch in der jüngeren Lit. wird vertreten, dass nach Eintritt der materiellen Insolvenzreife der Gesellschaft sich die Schutzrichtung der allgemeinen culpa-Haftung in § 43 GmbHG und den Parallelvorschriften bereits im o.g. Sinne wandelt: das Geschäftsführerhandeln ist nunmehr (auch) am Gläubigerinteresse und nicht mehr allein am Gesellschafterinteresse auszurichten. Nach der bisherigen Rspr. bewirkt § 43 GmbHG einen Gläubigerschutz nur als Reflexwirkung; eine unmittelbare Verpflichtung der Geschäftsführung zur Wahrung (in erster Linie) der Gläubigerinteressen ergibt sich aus dieser Vorschrift nicht. Was dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft dient, dürfte mittelbar auch dem Befriedigungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger dienen. Insbesondere dürfte es auch bei dem unternehmerischen Ermessensspielraum der Geschäftsleiter, der sog. business judgement Rule, s.o., verbleiben. Mit Fortschreiten der Krise werden sich die Sorgfaltspflichten der Geschäftsführer verlagern: von der Wahrung der Interessen der Gesellschafter hin zur stärkeren Betonung der Interessen der Gesellschaftsgläubiger. Konkret wird dies danach zu beurteilen sein, zu welchem Zeitpunkt gem. der von der Geschäftsführung aufzustellenden Liquiditätsplanung Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich eintreten wird: bereits nach drei bis sechs Monaten oder erst nach 18 oder gar 24 Monaten? Nicht zu verkennen ist dabei, dass für den Geschäftsführer damit eine komplexe und konfliktträchtige Gemengelage entsteht, in welcher streitträchtige und u.U. haftungsrelevante Abgrenzungsfragen erst durch die Rspr. zu klären sein werden.
Im Übrigen sei auf die Ausführungen oben bei der sog. Culpa-Haftung (§ 43 GmbHG) verwiesen (s. Rdn 468).