Rz. 770
Die Organfunktion des Geschäftsführers bleibt bestehen, ihre gesetzliche Vertretungsmacht erhalten, wenn auch stark eingeschränkt durch die auf den Insolvenzverwalter übergegangene Befugnis zur Verwaltung und Verwertung des Vermögens (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Geschäftsführer bleibt zwar im Amt, er nimmt allerdings nur noch die Aufgaben wahr, die nicht die Insolvenzmasse betreffen. Er behält etwa die Befugnis zur Einberufung der Gesellschafterversammlung, nicht jedoch die Befugnis zur Einberufung einer Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger. Das gilt auch für Liquidatoren bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aus einer Liquidation der Gesellschaft heraus.
Rz. 771
Im insolvenzfreien Bereich der Gesellschaft bestehen die Kompetenzen des Geschäftsführers unverändert weiter. So wird die GmbH etwa in einem Verwaltungsprozess wegen Gewerbeuntersagung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vom Insolvenzverwalter, sondern vom Geschäftsführer vertreten, weil sich die Gewerbeuntersagungsverfügung nicht gegen die Insolvenzmasse, sondern gegen die Gesellschaft richtet. Der Insolvenzverwalter ist nur Beigeladener. Die Gewerbeuntersagung kann auch noch nach Anordnung vorläufiger Insolvenzverwaltung erfolgen, wenn Grund nicht allein ungeordnete Vermögensverhältnisse sind.
Auch verbleibt die Klage- und Prozessführungsbefugnis einer Personengesellschaft (etwa GmbH & Co.KG) gegen Gewinnfeststellungsbescheide des Finanzamts (zumindest für frühere Jahre) bei der Gesellschaft und geht nicht auf den Insolvenzverwalter über. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen in Liquidation befindliche Personengesellschaft wird in diesem Verfahren dann durch ihren Liquidator vertreten
Rz. 772
Etwa nach Freigabe eines Vermögensgegenstands durch den Insolvenzverwalter (§ 32 Abs. 3 InsO) lebt insoweit die Verfügungsbefugnis der Gesellschaft und damit auch die insoweitige Verantwortung des Geschäftsführers wieder auf. Dies hat besondere Bedeutung im Fall der Freigabe eines kontaminierten Grundstücks. Der Insolvenzverwalter kann dann nicht als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden. Dasselbe gilt nach Freigabe von Abfallgegenständen, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb, der den Abfall verursachenden Anlage nicht aufgenommen hatte.
Nach Freigabe eines Massegegenstandes oder einer Forderung im laufenden Klageverfahren, die bereits bei Insolvenzeröffnung vorhanden waren, findet entgegen § 265 ZPO ein Parteiwechsel mit der Wirkung statt, dass der Insolvenzschuldner Partei des Prozesses wird. Das gilt nicht, wenn der freigegebene Gegenstand oder die Forderung erst im Laufe des Insolvenzverfahrens erworben wurde; dann hat der Insolvenzverwalter den Prozess als Prozessstandschafter weiterzuführen.