Rz. 714
Grds. haftet der Geschäftsführer für nicht abgeführte Lohnsteuer persönlich, da ihre Nichtabführung i.d.R grob fahrlässig ist. Steht am Lohnzahlungstag nicht fest, ob die Liquidität zur Bezahlung/Abführung der Lohnsteuer ausreicht, muss sie auf einem Anderkonto sichergestellt werden, da sonst die persönliche Haftung eingreift. Der Grundsatz der Haftung gem. der anteiligen Tilgung bezieht sich bei der Lohnsteuer nur auf die gleichmäßige Befriedigung des FA und des Arbeitnehmers. Erforderlichenfalls muss der Arbeitgeber die Nettolohnzahlungen entsprechend kürzen, um die anteilige Lohnsteuer abführen zu können. Zahlt der Arbeitgeber den Nettolohn in voller Höhe aus, haftet er für die Lohnsteuer in voller Höhe. Dies gilt auch, wenn der Geschäftsführer zwar die Nettolöhne aus privater Tasche gezahlt hat, nicht aber die Lohnsteuer.
aa) Haftung auch bei späterer (Teil-)Erledigung der Steuerforderung?
Rz. 715
Die Fortdauer der Steuerhaftung bleibt von einer späteren (Teil-)Erledigung der Steuerforderung, etwa in einem späteren Insolvenzplanverfahren, unberührt. Die Haftung des Geschäftsleiters nach §§ 34, 69 AO wird nicht auch dadurch ausgeschlossen, dass die zugrundeliegende Steuerforderung in einem Insolvenzplan abschließend geregelt (und teilweise befriedigt) wird, denn der Insolvenzplan berühre den Bestand der Steuerforderung nicht, sei kein Erlass und stehe daher der weiteren Inanspruchnahme des Haftungsschuldners nicht entgegen.
bb) Haftung/Schaden auch bei insolvenzrechtlicher Anfechtbarkeit hypothetischer Zahlungen
Rz. 716
Grds. ist Voraussetzung für eine persönliche Haftung stets, dass die Pflichtverletzung ursächlich für den Steuerausfall ist.
Rz. 717
Ob die volle Haftung des GmbH-Geschäftsführers für nicht abgeführte Lohnsteuer auch dann eingreift, wenn eine hypothetische Zahlung nach §§ 129 ff. InsO anfechtbar gewesen wäre, war von den Finanzgerichten unterschiedlich entschieden worden. Im Jahr 2007 schließlich hat der BFH in einem Haftungsfall wegen nicht abgeführter Lohnsteuer entschieden, dass der Geschäftsführer für nicht abgeführte Steuern auch dann haftet, wenn der Insolvenzverwalter eine hypothetische Zahlung im Wege der Insolvenzanfechtung wieder hätte zurückfordern können, da die Funktion und der Schutzzweck des § 69 AO die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe bei der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme grds. nicht zulasse. Das halte ich im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung für problematisch. Anders hat das FG Köln zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung des Geschäftsführers der Steuerschuldnerin und Steuerschaden für einen Haftungsfall wegen unterlassener Umsatzsteuervorauszahlungen entschieden: Der Haftungsbescheid nach §§ 34, 35, 69 AO gegen den Geschäftsführer der GmbH & Co. KG wegen unterlassener Umsatzsteuervorauszahlungen der KG ist jedenfalls dann rechtswidrig, wenn in der Folge das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet wurde, der Insolvenzverwalter die Steuervorauszahlung für den Monat, der dem streitigen Monat vorausging, angefochten hat und das Finanzamt zum Zeitpunkt des Erlasses der Haftungsbescheide mit an Sicherheit davon ausgehen konnte, dass die streitgegenständlichen, ausgebliebenen hypothetischen Zahlungen ebenfalls angefochten worden wären.
cc) Haftung nach erfolgreicher Insolvenzanfechtung der Steuerzahlung?
Rz. 718
Den Geschäftsführer trifft die volle persönliche Haftung für nicht fristgerecht bei Fälligkeit abgeführte Lohnsteuer auch dann (wieder), wenn er die Lohnsteuer zwar an das FA gezahlt hat, die Zahlung aber unter Verletzung der Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis verspätet erfolgte und der Insolvenzverwalter die Zahlung erfolgreich angefochten und das FA sie zurückgezahlt hat und eine rechtzeitige Bezahlung der Lohnsteuer im Zeitpunkt der Fälligkeit noch vor dem Insolvenzanfechtungszeitraum gelegen hätte und somit im Insolvenzverfahren nicht anfechtbar gewesen wäre.
dd) Haftung auch bei Nichtabführung im Insolvenzeröffnungsverfahren oder nach Lastschriftwiderruf durch den vorläufigen Insolvenzverwalter? – wesentliche Rechtsänderung durch das SnInsFoG
Rz. 719
Grds. besteht bei Vorhandensein liquider Mittel im Zeitpunkt der Fälligkeit die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Abführung der Lohnsteuer solange, bis ihm die Verfügungsbefugnis durch Bestellung eines starken vorläufigen Verwalters oder die Insolvenzeröffnung entzogen wird. Fraglich konnte sein, ob eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für die nicht gezahlte (Lohn-)Steuer entsteht, wenn sie im Insolvenzeröffnungsverfahren mit vorläufiger Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt nicht abgeführt wird oder wenn der vorlä...