Rz. 496
Die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und leitenden Angestellten (ULLA) enthalten regelmäßig die sog. Claims-Made-Klausel (Anspruchserhebungsprinzip). Diese Klausel besagt, dass während der Gültigkeit der Versicherung erstmals geltend gemachte Ansprüche versichert sind. Es kommt also darauf nicht darauf an, dass der Versicherungsschutz zur Zeit des schadenstiftenden Verhaltens besteht, sondern zu der Zeit, zu der der daraus entstandene Anspruch geltend gemacht wird.
Rz. 497
Nach wie vor halte ich für hinterfragbar, ob diese AGB-Klausel einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff., 307 BGB standhält, insbesondere ob die Claims-Made-Klausel in § 2 Nr. 2.2 der AVB rechtlichen Bedenken im Hinblick auf § 100 VVG begegnet. In den wenigen vorliegenden Gerichtsentscheidungen wurde die Regelung zwar als Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB, jedoch in den Einzelfällen als wirksam angesehen. Sie sei keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn die Nachteile des Claims-Made-Prinzips ausreichend kompensiert werden. Solche ausreichende Kompensation liege in der Wirkung der Klausel als unbegrenzte Rückwärtsversicherung, in einer vereinbarten Nachhaftungszeit (hier 1 – 2 Jahre) und in der Möglichkeit einer Umstandsmeldung bei vom Versicherungsnehmer nicht verursachten (etwa durch Zahlungsverzug) und von ihm auch nicht zu verhindernden Kündigung des Versicherers (60 Tage; relevant auch bei Vertragserneuerung, um Schadensfälle einer laufenden Versicherungsperiode zurechnen zu können). Die Klausel sei ferner nicht ungewöhnlich oder überraschend.
Rz. 498
Zu beachten ist, dass die Rückwärtsversicherung sich nur auf bei Vertragsschluss unbekannte Rückwärtsrisiken erstreckt. Zeitlich sollte sie möglichst nicht kürzer greifen als die Verjährung der möglichen Ansprüche. Eine vereinbarte Nachhaftungszeit sollte nach Ablauf der Versicherung möglichst den ganzen Zeitraum der Anspruchsverjährung umfassen. Darauf hinzuweisen ist aber, dass nach der v.g. Rspr. für die Wirksamkeit der Claims-Made-Klausel ein Gleichlauf mit den Verjährungsfristen für evtl. Schadensersatzansprüche nicht erforderlich ist. Das OLG München hat eine Nachhaftungsfrist von einem Jahr je Versicherungsjahr, als LG Wiesbaden eine Nachhaftungsfrist von pauschal 2–3 Jahren als ausreichend angesehen.
Rz. 499
Zur Anzeigepflicht bei Gefahrerhöhung hat der BGH entschieden, dass die Regelung in den allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und leitenden Angestellten (ULLA) abschließend ist. Ob Gesellschafterwechsel oder Abschluss eines EAV (Beherrschungswechsel) eine Gefahrerhöhung ist, blieb offen.
Der im Voraus in den Versicherungsbedingungen erklärte pauschale Verzicht der Versicherung auf die Täuschungsanfechtung nach § 123 BGB ist unwirksam. Damit besteht doch die Gefahr, dass die Versicherung den Versicherungsvertrag anficht, wenn ihr bei Abschluss ein Umstand arglistig verschwiegen wurde, der nun im Rahmen der Rückwärtsversicherung aufgrund des Claims-Made-Prinzips vom Versicherungsschutz erfasst wäre.
Rz. 500
Entgegen OLG Hamburg hat der BGH entschieden, dass der Insolvenzverwalter einer GmbH dem Geschäftsführer gegenüber nicht verpflichtet ist, eine zu dessen Gunsten abgeschlossene Haftpflichtversicherung aufrechtzuerhalten, um ihn aus einer Inanspruchnahme wegen verbotener Zahlungen freizustellen. In dieser Entscheidung weist der BGH aber auch darauf hin, dass der Insolvenzverwalter gegenüber der Gläubigergesamtheit durchaus verpflichtet sein kann, die D&O-Versicherung aufrecht zu erhalten, um Ansprüche gegen den Geschäftsführer (wirtschaftlich) erfolgreich durchsetzen zu können.
Rz. 501
Zu beachten ist für die steuerliche Behandlung, dass von der Gesellschaft getragene Versicherungsbeiträge steuerbares Entgelt des Geschäftsführers sein können, wenn die Gesellschaft sie trägt und die Versicherung überwiegend den Interessen des Geschäftsführers dient.
Praxishinweis
Vor Abschluss der Versicherung ist die Ausgestaltung des Vertrages und damit der Umfang der vom Versicherungsschutz umfassten Haftungsrisiken genau zu prüfen. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass für die i.d.R. hohen Prämien nur Scheinsicherheit erkauft wird und die wirklich drohenden, wesentlichen Haftungsgefahren nicht gedeckt sind.