Rz. 664
Es handelt sich um eine Verschuldenshaftung. Maßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers. Zu dieser gehört es, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und bei Anzeichen einer wirtschaftlichen oder finanziellen Krise der Gesellschaft sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen und notfalls unter fachkundiger Prüfung zu entscheiden, ob eine positive Fortbestehensprognose besteht. Spätester Zeitpunkt für die Prüfung der Insolvenzreife durch den Geschäftsleiter dürfte sein, wenn die (fristgerecht erstellte) Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag zeigt (Überschuldungsprüfung) bzw. wenn eine bestimmte, nicht ganz unwesentliche fällige Verbindlichkeit im Fälligkeitszeitpunkt mangels vorhandener liquider Mittel nicht bezahlt werden kann (Zahlungsunfähigkeit).
Rz. 665
Verstößt der Geschäftsführer gegen diese Prüfungspflichten und hat er deswegen keine Kenntnis von der Überschuldung, handelt er mit bedingtem Vorsatz. Eine Überschuldungsbilanz muss nicht aufgestellt werden, wenn die Fortführung des Unternehmens aufgrund zeitnah zu erwartender Zahlungseingänge, deren Fälligkeit der Geschäftsführer nach einer verlässlichen Rechtsauskunft auch nicht bezweifeln muss, ohne Eintritt der Zahlungsunfähigkeit überwiegend wahrscheinlich ist.
Rz. 666
Nach ständiger Rspr. des BGH handelt der Geschäftsführer nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Beraters einholt, diesen über alle maßgeblichen Umstände vollständig und richtig unterrichtet und dann dem auf Plausibilität geprüften Rat entsprechend von der Insolvenzantragstellung absieht. Allerdings muss der Geschäftsführer einer GmbH, der nicht selbst über ausreichend eigene Kenntnisse verfügt, die für eine zutreffende Beurteilung der Insolvenzreife der Gesellschaft erforderlich sind, bei den ersten Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich unter umfassender Darlegung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person Rat einholen und auf unverzügliche Vorlage der Prüfungsergebnisse hinwirken. Der erteilte Rat ist sodann auf Plausibilität zu prüfen.
Rz. 667
Die 3-Wochen-Frist beginnt bei "erkennbarer" Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. Das ist nicht der Zeitpunkt des objektiven Überschuldungseintritts, sondern der Zeitpunkt der positiven Kenntnis oder böswilligen Unkenntnis des Vorstandes vom Eintritt der Überschuldung.
Rz. 668
Praxishinweis
Laufende und Erfolg versprechende Sanierungsbemühungen heben – entgegen einer bei Geschäftsführern verbreiteten Ansicht – bei fortbestehender Insolvenzreife über die 3-Wochen-Frist hinaus die Insolvenzantragspflicht nicht auf.