Rz. 419
Nach der Eigenkapitalersatz-Rspr. hatte der Insolvenzverwalter das Recht zur unentgeltlichen Nutzung des überlassenen Gutes für den vertraglich vereinbarten Zeitraum bzw. für einen angemessenen Mindestzeitraum. Nach der Begründung des RegE wich dies von den Regelungen der §§ 103 ff. InsO ab. Das Schicksal des kostenlosen Nutzungsrechts des Insolvenzverwalters im eröffneten Insolvenzverfahren nach dem RegE wurde in der rechtswissenschaftlichen Lit. unterschiedlich beurteilt. Einerseits wurde vertreten, dass dieses kostenlose Nutzungsrecht entfallen wird, da für die unentgeltliche Weiternutzung nach der Neuregelung kein Raum mehr sei. Andererseits wurde vertreten, dass das kostenlose Nutzungsrecht wegen des Nachranges der Mietansprüche und der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung bestehen geblieben sei. Die §§ 103 ff. InsO seien nicht anwendbar; das Nutzungsrecht sei vielmehr ein Darlehensäquivalent. Ein Aussonderungsanspruch des Eigentümers der zur Nutzung überlassenen Sache nach § 47 InsO bestehe nicht; ihm könne der Insolvenzverwalter die Anfechtbarkeit einer Rückgabe des Gegenstandes nach § 135 InsO einredeweise nach § 146 Abs. 2 InsO entgegenhalten.
Rz. 420
Diese nach dem RegE aufgekommenen Zweifelsfragen hat die endgültige Gesetzesfassung geklärt. § 135 Abs. 3 InsO sieht nunmehr ein Weiternutzungsrecht des Insolvenzverwalters bei "erheblicher Bedeutung" für die Fortführung des Schuldnerunternehmens für max. ein Jahr vor, allerdings im Unterschied zur Eigenkapitalersatz-Rspr. nur gegen einen dem Gesellschafter zu zahlenden Ausgleich in Höhe des Durchschnitts der im letzten Jahr vor Insolvenzeröffnung geleisteten Vergütung. Ein kostenloses Nutzungsrecht des Insolvenzverwalters besteht nach Wegfall des Eigenkapitalersatzrechts nicht mehr. Zwar wird durch diese Regelung, die m.E. besser bei den §§ 103 ff. InsO hätte verortet werden sollen, ein pragmatischer Interessenausgleich herbeigeführt, jedoch erscheint die Regelung dogmatisch fragwürdig und hinsichtlich der vom Insolvenzverwalter zu entrichtenden Vergütung streitträchtig, denn sie wirft folgende Zweifelsfragen auf:
aa) Wann liegt Fortführungserheblichkeit vor?
Rz. 421
Die Neuregelung lässt im Unklaren, ob eine erhebliche Bedeutung der Weiternutzung des vom Gesellschafter überlassenen Gutes für die Fortführung des Schuldnerunternehmens nur gegeben ist, wenn bei Beendigung der Nutzung die Betriebsabläufe erheblich gestört würden, oder auch dann, wenn zwar eine Ersatzbeschaffung durch den Insolvenzverwalter (etwa Anmietung von einem Dritten) möglich wäre, dies aber Kosten des Insolvenzverfahrens erhöhen würde, weil die Anmietung von einem Dritten nicht zu dem an den Gesellschafter zu zahlenden ermäßigten Entgelt möglich wäre. Ich würde den letzteren, wirtschaftlichen Begriff der Fortführungserheblichkeit vertreten.
Ebenso offen ist, ob die Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter erforderlich ist oder ob die auf ein Jahr begrenzte Weiternutzung auch nach übertragender Sanierung durch den Unternehmenserwerber möglich ist.
bb) Verhältnis zu §§ 108, 109 InsO
Rz. 422
Das Verhältnis der Regelung in § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO zu §§ 108, 109 InsO war nicht geklärt. Findet § 135 Abs. 3 InsO nur Anwendung, wenn und soweit das Nutzungsverhältnis nicht nach §§ 108, 109 InsO ohnehin fortzusetzen ist, oder werden die §§ 108, 109 InsO durch die Spezialregelung in § 135 Abs. 3 InsO verdrängt? Nach entsprechenden instanzgerichtlichen Entscheidungen enthält § 135 Abs. 3 InsO keine abschließende Regelung für Nutzungsüberlassungen durch den Gesellschafter. Besteht das Mietverhältnis nach § 108 Abs. 1 InsO fort, ist § 135 Abs. 3 InsO nicht anwendbar oder andersherum § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO kommt nur zur Anwendung, wenn der Vermieter einen (bestehenden) Aussonderungsanspruch geltend macht. Dies hat der BGH bestätigt.
Rz. 423
Diese Frage hatte unmittelbare Bedeutung für die Qualifikation und Höhe des Entgeltanspruchs des überlassenden Gesellschafters. Würde er bei nicht beendetem Überlassungsvertrag nur als nachrangige Forderung nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder als Masseforderung in der vertraglich vereinbarten Höhe oder nur in Höhe des nach § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO geschuldeten Ausgleichs bestehen? Letzterenfalls wäre zu klären, ob die Differenz zwischen vertraglichem Nutzungsentgelt und Ausgleich nicht nachrangige Insolvenzforderung oder nachrangig nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist. Schließlich wäre fraglich, ob und ggf. mit welcher Qualifikation der Gesellschafter bei vorzeitiger Kündigung des Mietverhältnisses durch d...