aa) Geschäftsleiter
Rz. 597
Grds. ist der bestellte Geschäftsführer der Gesellschaft Normadressat. Das gilt auch, wenn er nach den Vorstellungen der Gesellschafter nur "kommissarischer" Geschäftsführer sein soll.
Der Geschäftsleiter kann nur für solche Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens verantwortlich gemacht werden, die mit seinem Wissen und Willen geschehen sind oder die er hätte verhindern können. Für § 130a HGB ist entschieden, dass die Zahlungsveranlassung durch den Geschäftsführer erfolgt bzw. ihm zurechenbar sein muss, was bei Kontopfändung durch einen Gläubiger nicht der Fall ist. Die Zahlungsveranlassung durch den Geschäftsführer ist also anspruchsbegründende Tatsache, die Zahlungsveranlassung muss dem Geschäftsführer zurechenbar sein. Das ist bei einer Kontopfändung durch einen Gläubiger nicht der Fall. Daher kommt eine Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG nicht in Betracht, wenn die Zahlungen an einen Gläubiger (hier: das Finanzamt) aufgrund Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (hier: Pfändungs- und Überweisungsbeschluss) erfolgten.
bb) Faktischer Geschäftsführer
Rz. 598
Neben dem bestellten Geschäftsführer trifft die Erstattungspflicht auch den faktischen Geschäftsführer (s.o. Rdn 473 ff.) und den Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften für jede Gesellschaft gesondert.
cc) Aufsichtsrat?
Rz. 599
Der Aufsichtsrat ist nicht unmittelbarer Normadressat. Stellt der Aufsichtsrat einer AG aber fest, dass die Gesellschaft insolvenzreif ist, hat er darauf hinzuwirken, dass der Vorstand keine mit der Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmannes unvereinbaren Zahlungen mehr leistet und rechtzeitig den Insolvenzantrag stellt; ggf. hat der Aufsichtsrat den Vorstand abzuberufen. Verstößt er hiergegen schuldhaft, kann er der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein. Hat der Aufsichtsrat von einer Krise der Gesellschaft Kenntnis, hat er gesteigerte Überwachungspflichten, die auch die Pflicht umfasst, sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft einschl. evtl. Insolvenzreife unter Ausschöpfung aller zugänglicher Erkenntnisquellen ein genaues Bild zu machen. Haben fehlende oder nicht ausreichende Überwachung der Geschäftsleitung durch den Aufsichtsrat zu Zahlungen unter Verstoß gegen § 15b InsO geführt, haften die Aufsichtsratsmitglieder selbst. Die Haftung des Aufsichtsrats der AG ergibt sich bereits aus der Verweisungsnorm des § 116 AktG.
Rz. 600
Diese Verpflichtung und Haftungsgefahr kann den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH nur treffen, wenn der GmbH selbst ein Schaden entstanden ist; für die bloße Verkürzung der Haftungsmasse den Gläubigern gegenüber haftet der fakultative Aufsichtsrat einer GmbH nicht.
dd) Gesellschafter?
Rz. 601
Ob auch die Gesellschafter bei Führungslosigkeit der Gesellschaft zum Ersatz verbotener Zahlungen nach § 64 Satz 1 GmbHG verpflichtet sind, ist umstritten. In der Lit. wird dies teilweise mit der Begründung des insoweitigen Gleichlaufs der Insolvenzantragspflicht in § 15a InsO und der Ersatzverpflichtung nach § 64 Satz 1 GmbHG für den Fall bejaht, dass die Insolvenzantragspflicht des Gesellschafters besteht, also wenn er die Insolvenzreife und die Führungslosigkeit der Gesellschaft kennt.
ee) Dritte?
Rz. 602
Die Teilnahme Dritter ist nicht möglich, da § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. kein einer Teilnahme Dritter (§ 830 BGB) zugänglicher Deliktstatbestand ist, sondern einen Ersatzanspruch eigener Art statuiert. Dabei dürfte es für § 15b InsO bleiben, ungeachtet der Diskussion, ob es sich nunmehr um eine Schadensersatznorm handelt. § 15b InsO ist ebenso wie die Vorgängervorschriften (etwa § 64 GmbHG a.F.) kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB; Erstattungsverbindlichkeiten aus § 15b Abs. 4 InsO sind von einer Restschuldbefreiung nicht nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen.
Rz. 603
Ein Vorstand eines eingetragenen Vereins haftet nicht nach § 15b InsO analog. Für ihn bleibt es bei der Insolvenzverschleppungshaftung nach § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB; diese Regelung enthält keine planwidrige Lücke.