(aa) Grundsatz
Rz. 619
Nach § 15b Abs. 4 Satz 1 InsO hat der Geschäftsführer die entgegen dem Zahlungsverbot aus § 15b Abs. 1 InsO geleisteten Zahlungen der Gesellschaft zu erstatten. Aus dem Schutzzweck der Norm ergibt sich, dass die Erstattungspflicht des Geschäftsführers in Höhe des objektiven Wertes des von ihm verbotswidriger Weise veranlassten Vermögensabflusses besteht, jedoch nur, soweit der Ersatzbetrag zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist. Darüber hinausgehende Erstattungen würden nach § 199 Satz 2 InsO zu einer Auskehr des Erlösüberschusses an die Gesellschafter führen, die jedoch vom Schutzzweck des § 15b InsO nicht erfasst sind.
Dann besteht die Ersatzpflicht in voller Höhe der Zahlung und nicht nur in Höhe des entstandenen Quotenschadens. Auch ist von der Ersatzleistung des Geschäftsführers nicht die fiktive Insolvenzquote des Zahlungsempfängers abzuziehen.
Rz. 620
Der Anspruch nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. unterliegt einem Verzichts- und Vergleichsverbot; das gilt auch dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt dem zugestimmt hat.
(bb) Wesentliche Änderung durch § 15b Abs. 4 Satz 2 InsO
Rz. 621
Nach der ständigen Rspr. des BGH und entgegen einer starken Meinung in der Lit. bestand die Ersatzpflicht nach § 64 GmbHG a.F. in voller Höhe jeder einzelnen verbotswidrig geleisteten Zahlung und nicht nur in Höhe des entstandenen Quotenschadens.
Eine wesentliche Neuerung findet sich nun in § 15b Abs. 4 InsO. Dort ist in Satz 1 geregelt, dass sämtliche entgegen dem Verbot in Abs. 1 geleisteten Zahlungen einzeln zu ersetzen sind. Das entspricht der bisherigen Regelung. Ist der Gläubigerschaft der Gesellschaft jedoch ein geringerer Schaden entstanden, wird die Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 15b Abs. 4 Satz 2 InsO auf den Ausgleich dieses geringeren Schadens beschränkt.
Diese Regelung betrifft direkt die umstrittene Rechtsnatur der Ersatzpflicht:
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Ersatzanspruch eigener Art mit der Folge voller Ersatzpflicht jeder einzelnen verbotenen Zahlung (Trennungslehre, Einzelbetrachtung, so bisher der BGH) oder |
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Schadensersatzanspruch (Gesamtbetrachtung der Vermögenszu- und -abflüsse im Zeitraum der Insolvenzreife, so Teile der Lit.). |
Zwar wollte der Gesetzgeber ausweislich der Begründung zum RegE des SanInsFoG diesen grundsätzlichen Streit nicht entscheiden, scheint sich jedoch gegenüber der in der Lit. wiederholt geäußerten Kritik an der Rspr. des BGH zu öffnen und die Möglichkeit schaffen zu wollen, die Ersatzpflicht des Geschäftsführers auf den der Gläubigergesamtheit entstandenen geringeren Schaden zu begrenzen, wodurch dem Haftungstatbestand der sog. verbotenen Zahlungen seine bisherige überschießende Schärfe genommen würde.
Rz. 622
Nach meinem Dafürhalten gehörte die Rspr. zum Haftungstatbestand des § 64 GmbHG a.F. insgesamt auf den Prüfstand. Vor dem Hintergrund der durchschnittlich zu erwartenden Rechtskenntnisse von GmbH-Geschäftsführern (nicht selten des Unternehmers selbst) schienen mir die von der Rspr. im Laufe der Jahre immer größer gewordenen Anforderungen an den Geschäftsführer einerseits überzogen, andererseits betreffend die jüngsten Eingrenzungsversuche des BGH mit den Erwägungen zur Masseverkürzung für den "normalen" Geschäftsführer nicht mehr so nachvollziehbar, dass er sein Verhalten im Sanierungsgeschehen darauf einstellen könnte. Dies gilt umso mehr, als das vom Geschäftsführer im Bestreben der "Rettung" des Unternehmens unbemerkt angehäufte Haftungsvolumen nicht selten seine eigene, persönliche Insolvenz nach sich ziehen konnte. Aufgrund des klaren Wortlauts der Vorschrift sah sich der BGH an die Trennungstheorie gebunden, d.h. dass es war zu erwarten, dass er auch künftig auf jede einzelne Zahlung während der eingetretenen Insolvenzreife und nicht stattdessen mit der Einheitstheorie auf eine Saldoverkürzung im gesamten Verschleppungszeitraum abstellen würde. Daher schien mir der Gesetzgeber gefordert, weil sich der BGH "verrannt" zu haben schien. Das Argument, der BGH gebe mit den zahlreichen Entscheidungen zur Masseverkürzung dem Geschäftsführer keine Handlungsanweisung – diese sei eindeutig: Stellung des Insolvenzantrags bei Eintritt der Insolvenzreife -, sondern beschränke die Haftung auf die tatsächliche Masseverkürzung, war für die tatsächliche Praxis ein eher schwacher Trost.
Rz. 623
Die vorstehend dargestellte Neuregelung in § 15b Abs. 4 Satz 2 InsO mit der Begrenzung der Haftung auf den der Gläubigerschaft entstandenen geringeren Schaden scheint nun der Kritik an der Rspr. des BGH Rechnung zu tragen und, so bleibt aus der Sicht der Praxis zu hoffen, dass die Rspr. nun das Maß der Haftungsverantwortung der Geschäftsführer auf ein tragbares Maß beschränken wird.
Der Rspr. wird es bedürfen, denn die Neuregelung wird in der Lit. sehr unterschiedlich bewertet: von effektiver Haftungsbegrenzung bis hin zu ...