Rz. 274
Der Betrieb einer Unternehmung in einer haftungsbeschränkten Rechtsform birgt für die Gläubiger grds. das Risiko, dass das zur Schuldenregulierung allein zur Verfügung stehende Gesellschaftsvermögen für die Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreicht. Dies wird jedoch als "normales" Risiko angesehen, welches mit jedem Unternehmen verbunden ist, sodass die haftungsbeschränkten Rechtsformen im In- und Ausland nicht grds. infrage gestellt werden. Es ist jedoch auch Konsens, dass für die über das "normale" Unternehmensrisiko hinausgehenden Risiken ein gesetzlicher Gläubigerschutz notwendig ist. Eine Frage der konkreten Ausgestaltung ist es jedoch stets, bei Verwirklichung welcher Risiken und in welcher Weise dieser Gläubigerschutz eingreifen soll.
Rz. 275
Grds. kann zwischen zwei unterschiedlichen Schutzsystemen differenziert werden – dem präventiven und dem nachgelagerten Gläubigerschutz (ex post). Zum präventiven Gläubigerschutz gehören die Regelungen über die Aufbringung und Erhaltung des vereinbarten Stammkapitals. Diese Regelungen sollen – zusammen mit den Regelungen über die Sanktion von Verstößen – das Verhalten des Unternehmers ex ante steuern und somit präventiven Gläubigerschutz gewährleisten.
Rz. 276
Daneben bestehen Regelungen, die opportunistisches Fehlverhalten des Unternehmers, etwa das "Aushöhlen" der Gesellschaft, ex post, also insb. in einem Insolvenzverfahren sanktionieren. Zum nachgelagerten Gläubigerschutz gehören etwa die Regelungen zur Gesellschafter(fremd)finanzierung in der InsO oder die Sanktionen für existenzvernichtende Eingriffe (§ 826 BGB). Beide Gläubigerschutzsysteme weisen gewisse Überschneidungen auf.
Rz. 277
Die Sicherung der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals war und ist ein zentraler Grundsatz des GmbH-Rechts. Dabei war die reale Kapitalaufbringung stets ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers und der sehr strikten Rspr., denn nur das wirklich aufgebrachte und erhaltene garantierte Stammkapital steht den Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung. Die bedingungslose Einhaltung der Vorschriften über die Kapitalaufbringung und -erhaltung durch die Gesellschafter ist gewissermaßen die Kehrseite für die Befreiung von persönlicher Haftung. Der Kapitalschutz ist das Kernstück des GmbH-Rechts und kann daher als wichtigstes Element der Finanzverfassung der GmbH angesehen werden. Die Fundamentalnormen sind die §§ 14 und 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG.
Rz. 278
Durch die Reformen des MoMiG und des ARUG sollte das Haftkapitalsystem der GmbH und der AG "modernisiert" werden, was zu Einschnitten im präventiven Gläubigerschutz und einer gewissen Verlagerung in den nachgelagerten Gläubigerschutz und damit nach meinem Dafürhalten per saldo zu einer Verringerung des Gläubigerschutzes allein deswegen geführt hat, weil ohne eröffnetes Insolvenzverfahren der nachgelagerte Gläubigerschutz faktisch nicht stattfindet.
Rz. 279
Außerdem ist das System komplizierter und inkonsistent geworden, von realer Kapitalaufbringung durch den Gesellschafter kann kaum mehr die Rede sein und die Haftungsverantwortung des Geschäftsführers wird für ihn fast unlösbar überdehnt. Dieser Teil der GmbH-Reform ist also "grandios" gescheitert, sodass sogleich für eine Fortführung der Reform durch ein MoMiG II plädiert wurde. In diesem sollte dann vom Erfordernis der Kapitalaufbringung und -erhaltung abgegangen und entweder ein Insolvenzkapital oder das (evtl. zu modifizierende) KG-Modell eingeführt werden. Auch wäre erwägenswert, die Regelungen über die Aufbringung und Erhaltung eines Mindeststammkapitals zu streichen und damit die Funktion des Stammkapitals darauf zu reduzieren, das Innenverhältnis der Gesellschafter zu ordnen. Das Vertrauen der Gläubigerschaft in das Vorhandensein eines Stammkapitals erweist sich in den meisten GmbH-Insolvenzen ohnehin als trügerisch; ihr Schutz scheint über die Publizitätspflichten besser erreichbar.
Rz. 280
Derjenige, der einen Gesellschaftsanteil für einen anderen treuhänderisch hält, haftet selbst für die Einlage.
Rz. 281
Gem. §§ 24, 31 Abs. 3 GmbHG haften auch die übrigen Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile, wenn die Ein- oder Rückzahlung vom verpflichteten Gesellschafter nicht zu erlangen ist (und im Fall des § 24 GmbHG die Zahlung auch nicht Verkauf des Anteils gedeckt werden kann). Von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangende Beiträge werden also wiederum nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile auf die übrigen Gesellschafter verteilt.
Rz. 282
In einer Insolvenz über das Vermögen der GmbH wird durch den Insolvenzverwalter geprüft, ob das Stammkapital der GmbH vollständig aufgebracht und nicht an die Gesellschafter zurückgezahlt wurde. Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, eine nicht (vollständig) eingezahlte oder verbotswidrig zurückgezahlte Stammeinlage vom betreffenden Gesellschafter ein- bzw. zurückzufordern. Dasselbe gilt für den Liquidator.
Eine wirksam beschlossene, aber noch nicht ins Handelsregister eingetragene Kapitaler...