Rz. 193
Die Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit erfordert entweder die Aufbringung zusätzlicher liquider Mittel oder die Verschiebung der Fälligkeiten bzw. ernsthafter Einforderung von Verbindlichkeiten, sodass (wieder) alle Verbindlichkeiten bei Fälligkeit oder ernsthafter Einforderung entsprechend dem erstellten Liquiditätsstatus erfüllt werden können. Bezüglich der Generierung zusätzlicher Liquidität kommt es auf den tatsächlichen Zufluss an.
1. Patronatserklärung
Rz. 194
Ob eine interne harte Patronatserklärung zugleich die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnergesellschaft als Empfängerin beseitigen kann, weil die Mittel in dem Drei-Wochen-Prognosezeitraum der Zahlungsunfähigkeitsprüfung als Liquidität berücksichtigt werden können, ist fraglich. Ich würde dies bejahen, wenn der Schuldner im Bedarfsfalle einen sofort durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen den Patron hat und nicht erst eine gesonderte Entscheidung des Patrons über die sofortige Gewährung der Mittel getroffen werden muss, und der Schuldner selbst Zugriff auf die liquiden Mittel des Patrons hat. Der BGH lässt jedoch die bloße Zugriffsmöglichkeit des Schuldners auf die Mittel des Patrons allein nicht ausreichen; vielmehr ist erforderlich, dass die Liquidität tatsächlich auch zur Verfügung gestellt wird. Verbindliche Zahlungszusagen der Gesellschafter, etwa eine harte Patronatserklärung des Gesellschafters gegenüber dem Schuldner können die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nur verhindern oder beseitigen, wenn sich der Patron verpflichtet, dem Schuldner die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die er für die Bedienung aller fälliger Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit benötigt, und die Gesellschaft ungehinderten Zugriff auf die liquiden Mittel hat und die Gesellschafter sie tatsächlich einzahlen. Ebenso hat der BGH für eine an den Gläubiger gerichtete (externe) Patronatserklärung der Muttergesellschaft entschieden, dass sie allein die Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft nicht beseitigen kann; vielmehr dürfen die Mittel des Patrons als Liquiditätszuflüsse in dem Drei-Wochen-Prognosezeitraum der Zahlungsunfähigkeitsprüfung nur berücksichtigt werden, wenn die Patronatserklärung auch tatsächlich vollzogen wurde. Daher empfiehlt es sich, um keine rechtlichen Zweifel aufkommen zu lassen, in die Patronatserklärung zusätzlich eine Liquiditätsausstattungsverpflichtung des Patrons auf erstes Anfordern aufzunehmen oder den Zugriff der Schuldnergesellschaft auf die liquiden Mittel des Patrons zu gewähren und darauf zu achten, dass die liquiden Zuflüsse auch tatsächlich erfolgen. Erst dann wird die Zahlungsunfähigkeit beseitigt.
2. Neuaufnahme von Krediten
Rz. 195
Selbstverständlich kann eine Zahlungsunfähigkeit durch Kreditaufnahme beseitigt werden. Die Vergabe von Krediten in der Krise kann problematisch sein: Sanierungskredite, die geeignet sind, das Unternehmen zu retten, sind zulässig. Ebenso sind Überbrückungskredite zulässig. Besicherte Kredite, die bei Insolvenzreife gewährt werden, ohne zur Sanierung geeignet zu sein oder die Qualität von Überbrückungskrediten zu haben, können sittenwidrig sein, wenn sie zulasten anderer Gläubiger den Zusammenbruch des Unternehmens nur hinauszögern (sittenwidrige Schädigung anderer Gesellschaftsgläubiger, Kredittäuschung, Beteiligung an Insolvenzverschleppung).
3. Verwertung von Anlagevermögen
Rz. 196
Zur Beschaffung der für die Bedienung fälliger Verbindlichkeiten erforderlichen Liquidität kann sich die Verwertung von Gegenständen des Anlagevermögens anbieten (etwa Sale-and-Lease-Back). Bei bloßer Finanzierungsfunktion sind dies keine umsatzsteuerpflichtigen Lieferungen. Zu beachten ist in jedem Fall, dass dies ausreichend schnell geschieht, um die Zahlungsunfähigkeit innerhalb der laufenden Insolvenzantragsfrist von max. 3 Wochen wieder herzustellen.
4. Verwertung von Umlaufvermögen
Rz. 197
Zur Beschaffung der für die Bedienung fälliger Verbindlichkeiten erforderlichen Liquidität kann sich auch die Verwertung von Gegenständen des Umlaufvermögens anbieten. Hier ist in erster Linie zu denken an Abverkäufe von Lagerbeständen und an Forderungsverkäufe (Factoring).
Auch hier muss darauf geachtet werden, dass der Liquiditätszufluss ausreichend schnell, also spätestens innerhalb von 3 Wochen erfolgt.
Rz. 198
Praxishinweis
Achtung! Während sich Maßnahmen zur Beseitigung der Überschuldung allenfalls positiv auf die Liquiditätssituation auswirken, können umgekehrt die vorgenannten Maßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlun...