aa) Insolvenzreife
Rz. 635
Der Insolvenzverwalter hat die Darlegungs- und Beweislast für die Insolvenzreife. Er genügt seiner Darlegungslast, wenn er eine Handelsbilanz mit dem Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages vorlegt und erläutert, ob ggf. Abweichungen zum Überschuldungsstatus zu berücksichtigen sind bzw. dass stille Reserven nicht vorhanden sind. Den Geschäftsführer trifft dann die sekundäre Darlegungs- und Beweislast, im Einzelnen vorzutragen, in welchen Punkten die für den Überschuldungsstatus maßgeblichen Werte nicht oder nicht richtig abgebildet sind. Er genügt seiner sekundären Darlegungslast nicht, wenn er lediglich von der Handelsbilanz abweichende Werte behauptet; vielmehr hat er substantiiert zu etwaigen stillen Reserven oder in der Bilanz nicht oder nicht richtig abgebildeten Werten vorzutragen. Auch genügt dem Insolvenzverwalter, der sich auf Überschuldung i.S.d. § 19 InsO in der bis zum 17.10.2008 geltenden Fassung beruft, die Darlegung der rechnerischen Überschuldung zu Liquidationswerten. Eine positive Fortführungsprognose (mit der Folge des Ansatzes von Fortführungswerten) hat der Geschäftsführer darzulegen und ggf. zu beweisen.
Rz. 636
Für die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit genügt dem Insolvenzverwalter die Darlegung der Zahlungseinstellung, da bei dieser die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO zu vermuten ist; die Vorlage einer Liquiditätsbilanz ist dann nicht erforderlich. Wesentliches Indiz für die Zahlungseinstellung als Voraussetzung für die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit ist, dass der Schuldner nur noch Neuschulden begleicht, Altforderung, insb. solche, die wesentlich höher sind als die neuen Verbindlichkeiten, aber nicht innerhalb eines Zeitraumes von einem Monat bedient.
Rz. 637
Zu beachten ist, dass die Insolvenzreife nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen gilt, wenn der Geschäftsführer die Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern nach §§ 238, 257 HGB, § 41 GmbHG verletzt hat und dem Insolvenzverwalter daher die Darlegung von näheren Einzelheiten nicht möglich ist.
bb) Zahlungen
Rz. 638
Der Insolvenzverwalter muss die geleistete Zahlung, deren Ersatz er fordert, hinreichend genau darlegen, also Datum, Empfänger und Zahlungsgrund angeben, wenn dies zur Identifizierung des Zahlungsvorgangs erforderlich ist. Ferner muss der Kläger die Zahlungsveranlassung durch den beklagten Geschäftsführer darlegen. An einer haftungsbegründenden Veranlassung kann es fehlen, wenn die Belastung des Kontos auf einer Kontopfändung beruht.
cc) Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmannes
Rz. 639
Zulasten eines Geschäftsführers, der nach Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit Zahlungen aus dem Vermögen der Gesellschaft leistet, wird vermutet, dass er dabei nicht mit der von einem Vertretungsorgan der GmbH zu erwartenden Sorgfalt gehandelt hat. Diese Beweislastverteilung zulasten des Geschäftsführers, der nach Eintritt der Insolvenzantragsvoraussetzungen Zahlungen noch geleistet hat, ergibt sich auch aus dem Regel-Ausnahmeverhältnis in § 64 Sätzen 1 und 2 GmbHG a.F., welches § 15b Abs. 1 InsO beibehalten hat. Der Geschäftsführer muss also für Zahlungen nach Insolvenzreife darlegen und beweisen, dass sie ausnahmsweise zur Masseerhaltung notwendig und daher nicht sorgfaltswidrig waren. Das erfordert substantiierten Vortrag dazu, dass ohne die Zahlung eine konkrete Chance auf Sanierung oder Fortführung zunichtegemacht worden wäre.
Rz. 640
Verweigert der Insolvenzverwalter, der im Besitz der Unterlagen ist, dem in Anspruch genommenen Geschäftsführer jedoch die Unterlageneinsicht, obwohl die Rückzahlung einer großen Zahl von bereits geraume Zeit zurückliegenden Zahlungen verlangt wird, kehrt sich die Darlegungslast für die Frage der Vereinbarkeit der Zahlungen mit der Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmannes zulasten des Insolvenzverwalters um.