aa) Geltendmachung
Rz. 641
Im Unterschied zur Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO ist Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs nach den vorgenannten Normen nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern lediglich die Insolvenzreife. Durchsetzbar ist der Anspruch jedoch erst nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter oder den Sachwalter bei Eigenverwaltung.
Bei Abweisung der Insolvenzeröffnung mangels Masse oder nach Einstellung des Insolvenzverfahrens ist aber ebenfalls kein Grund ersichtlich ist, den Geschäftsführer in diesen Fällen besser zu stellen. Dann können die Gläubiger der Gesellschaft den Erstattungsanspruch pfänden und sich überweisen lassen.
Der Ersatzanspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. kann vom Insolvenzverwalter (etwa im Rahmen eines Vergleichs) wirksam abgetreten werden. § 9b Abs. 1 Satz 1 GmbHG steht dem nicht entgegen, da die Vorschrift für den Insolvenzverwalter nicht gilt. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft ist der Anspruch der Gesellschaft für deren Gläubiger pfändbar.
bb) Verjährung
Rz. 642
Der Erstattungsanspruch verjährt nach der klaren Regelung in §§ 64 Satz 4, 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren nach seiner Entstehung durch die Vornahme der (verbotenen) Zahlung im Stadium der Insolvenzreife. Die Entstehung des Anspruchs hängt hingegen nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder seiner Abweisung mangels Masse ab, sondern nur die Durchsetzbarkeit.
cc) Prozessuales
(1) Zuständiges Gericht
Rz. 643
Welches Gericht für Klagen aus § 64 GmbHG a.F. zuständig ist, war lange nicht abschließend geklärt. Der der BGH hat entschieden, dass für Ansprüche aus den insoweit vergleichbaren Vorschriften der §§ 130a Abs. 1 Satz 1 u. 2, 177a HGB a.F. gem. § 29 Abs. 1 ZPO der Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft begründet ist.
(2) Vorbehaltsurteil
Rz. 644
Dem Geschäftsführer ist im Urteil vorzubehalten, Erstattungsansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter i.H.d. hypothetischen Quote (Rang und Höhe) des durch die verbotene Zahlung begünstigten Gläubigers geltend zu machen. Dieser Vorbehalt ist von Amts wegen aufzunehmen, weil eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse auszuschließen ist. Gegenstandswert des Rechtsmittels wegen nicht erteilten Vorbehalts ist höchstens die Quote. Das OLG Hamburg hat verfahrens- und materiell-rechtliche Bedenken gegen die "Vorbehaltsurteils"-Rspr. geäußert.
dd) Übergangsregelung
Rz. 645
Eine gesonderte Übergangsregelung zur Anwendung des § 15b InsO fehlte zunächst. Durch eine Ergänzung des Art. 103m EGInsO um die Sätze 2 u. 3 ist nunmehr klargestellt, dass für den Tatbestand erfüllende Zahlungen bis 31.12.2020 das alte Recht anwendbar (§ 64 GmbHG a.F. und die Parallelvorschriften) ist und für Zahlungen ab dem 1.1.2021 § 15b InsO gilt, und zwar unabhängig von der Frage, ob das Insolvenzverfahren vor dem 1.1.2021 beantragt oder eröffnet wurde.
ee) Persönliche Insolvenz des Geschäftsführers
Rz. 646
Sollte der Anspruch aus § 15b InsO die persönliche Insolvenz des Geschäftsführers nach sich ziehen, erfasst die mögliche Restschuldbefreiung auch diese Verbindlichkeit, da es keine Verbindlichkeit aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach § 302 Nr. 1 InsO ist.