Rz. 23
Das Ertragswertverfahren (nach IDW S 1) unterscheidet von seinem dogmatischen Ansatz her nicht zwischen verschiedenen Unternehmensgrößen. Demzufolge ist es auch nicht auf die Spezifika kleiner und mittelständischer Unternehmen zugeschnitten. Im Gegenteil: Kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere auch Handwerksbetriebe und freiberufliche Praxen, verfügen in der Regel gar nicht über die Planungsdaten, die einer Unternehmensbewertung nach IDW S 1 zugrunde zu legen sind. Auch eine etwaige Abhängigkeit des Unternehmenswerts von individuellen Eigenschaften des Inhabers, bestimmter Mitarbeiter, Lieferanten und einzelner Kunden bzw. Kundengruppen wird nach IDW S 1 nicht vollständig erfasst. Gleiches gilt für die individuelle Konkurrenzsituation und das individuelle Leistungsangebot sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken. Genau diese Aspekte stellt der auf dem dogmatischen Ansatz der Ertragswertmethode basierende AWH-Standard in den Vordergrund. Hierbei handelt es sich um ein vom Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) erarbeitetes Konzept zur Unternehmensbewertung bei Handwerksbetrieben, das aber auch bei anderen kleineren Unternehmen zu brauchbaren Ergebnissen führt.
Rz. 24
Der AWH-Standard modifiziert die Ertragswertmethode, indem er sie an die Besonderheiten von kleinen und mittelständischen Handwerksunternehmen anpasst. So verzichtet er beispielsweise auf Planungsrechnungen (die der Unternehmer allein für den Zweck der Bewertung erstellen müsste) und stellt stattdessen auf die Jahresabschlüsse der letzten vier Jahre ab.
Allerdings können auch diese nicht ungeprüft übernommen und als Bewertungsgrundlage herangezogen werden. Vielmehr sind die bilanzierten Jahresüberschüsse um betriebsfremde und außerordentliche Aufwendungen/Erträge zu korrigieren. Auch andere nicht unternehmerisch, also betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Aufwendungen (ggf. auch Erträge) müssen eliminiert werden, also beispielsweise unangemessene Zahlungen an Familienangehörige (Mieten, Löhne, Gehälter). Dasselbe gilt auch für Zinsen und Skonti, die in kleineren Betrieben oftmals durch eine persönlich motivierte Finanz- und Entnahmepolitik des Inhabers beeinflusst sein können.
Rz. 25
Von zentraler Bedeutung für das Bewertungsergebnis ist der kalkulatorische Unternehmerlohn. Ihn objektiv zutreffend und unter Berücksichtigung aller im konkreten Fall relevanten Aspekte zu bestimmen, stellt eine beinahe unlösbare "Herkules-Aufgabe" dar. Vor diesem Hintergrund sieht der AWH-Standard diesbezüglich eine stark vereinfachende und pauschale Herangehensweise vor: Ausgangspunkt ist das tarifliche Meistergehalt zuzüglich Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherung. Dieses wird um einen Zuschlag von 20 %–50 % erhöht, um die Unternehmertätigkeit (also Mehrarbeit, Haftung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld etc.) abzubilden. Angesichts dieses doch sehr groben und eine relativ große Bandbreite umfassenden Ansatzes muss die Angemessenheit des so ermittelten Ergebnisses jedoch im jeweiligen Einzelfall kritisch hinterfragt und konkret überprüft werden.
Rz. 26
Ziel der Bewertung ist die Bestimmung des Werts der gesamten wirtschaftlichen Unternehmenseinheit als "intakte Einkommensquelle". Der nach dem AWH-Standard ermittelte Wert beinhaltet daher sämtliche Gegenstände des betriebsnotwendigen Anlagevermögens sowie den betriebsnotwendigen Waren- und Materialbestand (nicht aber Verbindlichkeiten). Werden daneben noch weitere Wirtschaftsgüter übernommen, z.B. Forderungen, teilfertigen Leistungen etc., muss der Wert entsprechend erhöht werden. Spiegelbildlich sind etwa zu übernehmende Verbindlichkeiten wertmindernd zu berücksichtigen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass der AWH-Standard Betriebsgrundstücke und Gebäude prinzipiell nicht bei der Wertfindung berücksichtigt, da er davon ausgeht, dass diese nicht mit übertragen werden. Daher sind in den Jahresabschlüssen nicht enthaltene Mieten etc. im Bereich der kalkulatorischen Kosten zu erfassen. Tatsächlich angefallene Abschreibungen auf Gebäude u.Ä. sind entsprechend zu korrigieren.
Rz. 27
Die Berücksichtigung der Steuern erfolgt beim AWH-Standard in Abhängigkeit von der Rechtsform des Bewertungsobjekts. Daher wird die Gewerbesteuer bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG berechnet. Gewerbesteuerliche Hinzurechnungsbeträge für Zinsen, Leasing-Raten, Mieten und Pachten werden ebenfalls mit einbezogen.
Da bei Personenunternehmen nach § 35 EStG die Gewerbesteuer mit dem 3,8-fachen des Gewerbesteuermessbetrages auf die Einkommensteuer abgerechnet werden kann, unterstellt der AWH-Standard hier eine typisierte Einkommensteuerbelastung auf den "bereinigten Gewinn nach Steuern" von 35 %.
Rz. 28
Im Rahmen der Bewertung von Kapitalgesellschaften (GmbHs) unterstellt der AWH-Standard eine alljährliche Vollausschüttung der erwirtschafteten Gewinne. Der bereinigte Gewinn wird um die Gewerbesteuer ...